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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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neue Häuser roden. Die Firma von Lon Wood baut dort oben, und Meeker und Fairview renovieren ebenfalls. Jeden Tag kommen mehr Feriengäste, obwohl wir noch nicht mal Sommer haben. Wenn mir einer von euch Milch liefert, kann ich sie verkaufen.«
    Â»Ja, Sir. Ich richt’s ihm aus«, antwortete ich noch einmal und machte mich eilig auf den Heimweg. Die Schule war schon seit einer Stunde aus. Meine Schwestern wären mir bereits ein gutes Stück voraus. Es mußte gemolken und Mist geschaufelt werden, die Schweine und Hühner mußten gefüttert werden, und wir auch.
    Hinter mir auf dem Dock hörte ich Schritte. »Möchtest du mitfahren, Matt?« fragte eine Stimme neben mir. Es war Royal.
    Â»Wer? Ich?«
    Â»Ich seh niemanden sonst, der Matt heißt.«
    Â»Gern«, sagte ich, dankbar für das Angebot. Das Maismehl war schwer, und wenn ich mitfuhr, kam ich schneller heim.
    Ich legte meinen Sack auf den vierrädrigen Pritschenwagen und kletterte neben Royal auf den harten Holzsitz. Pritschenwagen sind das einzige, was in den Nördlichen Wäldern gefahren wird. Wenn man vernünftig ist. Ein paar der neu Zugezogenen in den frisch gebauten Sommerhäusern bringen ihre leichten einspännigen Wagen mit, geben sie aber bald wieder auf. Pritschenwagen sind schlicht – nur ein paar Planken mit zwei daruntergenagelten Achsen, ein oder zwei Sitze und vielleicht eine Wagenkiste obendrauf. Aber das Einfache funktioniert am besten. Die Planken federn gut, und das verhindert, daß einem auf den schlechten Wegen von dem Geratter die Zähne herausfallen.
    Â»Hüjah!« rief Royal den Pferden zu. Er brachte sie dazu, das knarrende Fuhrwerk in der Einfahrt des Hotels zu wenden und gleichzeitig einer fransenverzierten Kutsche auszuweichen, die eine Tourengesellschaft transportierte, die gerade mit dem
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ampfer angekommen war und zum Big Moose Lake wollte. Die Pferde, ein Paar Braune, waren neu. Pa sagte, Mr. Loomis habe sie einem Mann außerhalb von Old Forge billig abgekauft, der seine Farm an die Bank verloren hatte. Sie wieherten und schnaubten angesichts der Kutsche, aber Royal schaffte es, sie ruhigzuhalten.
    Er hob die Hand, um Mr. Satterlee, den Steuereinnehmer, zu grüßen, der auf dem Weg zum Hotel an uns vorbeikam. Mr. Satterlee winkte zurück, aber ohne zu lächeln. »Wetten, daß er gerade von den Hubbards kommt«, sagte Royal. »Er hat ihnen eine Pfändung auf ihr Land aufgebrummt. Diese nichtsnutzige Emmie hat schon wieder ihre Steuern nicht bezahlt.«
    Ich wunderte mich über seine Schroffheit. Und das nicht zum erstenmal. »Royal, was hast du gegen die Hubbards?« fragte ich. »Das sind doch bloß arme Leute, die keinem was zuleide tun.«
    Als Antwort erhielt ich ein Schnauben, und während wir den langen Weg am Hotel, an dem frisch gedüngten Gemüsegarten und dem Kartoffelfeld entlangfuhren, sagte er kein Wort mehr. Wir fuhren am Bahnhof vorbei, überquerten die Gleise und den Highway – einen schmalen Feldweg, der Old Forge und Inlet verband. Daraus bestand Eagle Bay – eine Bucht im Fourth Lake, ein Hotel, eine Bahnstation. zwei Gleise und ein Feldweg. Es war keine Stadt, nicht mal ein Dorf. Allenfalls eine Haltestelle. Außer man lebte hier. Dann war es die Heimat.
    Während Royal das Gespann in Richtung Uncas Road führte, drehte er sich plötzlich zu mir um und sagte: »Spielst du immer noch dieses Spiel?«
    Â»Welches Spiel?«
    Â»Na dieses Spiel von dir. Du weißt schon, mit Wörtern rumalbern und solches Zeug.«
    Â»Das ist kein Herumalbern«, sagte ich abwehrend. Plötzlich klang mein Wort des Tages kindisch und dumm.
    Â»Suchst du dir wirklich jeden Tag ein neues Wort aus?«
    Â»Ja.«
    Â»Und wie heißt es heute?«
    Â»Entmannen.«
    Â»Was bedeutet das?«
    Â»Den männlichen Geist brechen. Jemandem den Mut oder die Kraft nehmen.«
    Â»Ha. Das ist dir wohl gerade so auf der Zunge gelegen, was? Du bist wirklich ein gedankliches Mädchen.«
    Â»Gedanklich.«
Royal redet wie die Jungs hier in der Gegend. Er sagt »reinschaun«, wenn er
besuchen
meint und »der Butter« statt
die Butter.
Mama hat uns eine Ohrfeige gegeben, wenn wir »der Butter« sagten. Sie meinte, daß wir uns anhörten wie Bauerntrampel. Royal sagt auch »nie nicht«, wenn er nie meint. Mehr als einmal versuchte ich, ihm seinen Fehler zu erklären,

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