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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Leiche wegtreiben zu lassen.« Er schweigt einen Moment und fragt dann: »Hättest du Lust auf einen Drink, Andy?«
    Â»Gern.«
    Â»Ich hol die Flasche. Aber wir trinken draußen auf der Veranda, drinnen wär nicht passend. Nicht heute abend.«
    Mr. Sperry verschwindet den Gang hinunter, und Mr. Morrison macht sich an der Rezeption zu schaffen, er öffnet seine Post, sieht telefonische Nachrichten durch und wirft einen Blick auf den Telegraphen. Ich bleibe auf dem Treppenabsatz.
    Ein paar Minuten vergehen, dann taucht Mr. Sperry mit einer Flasche und zwei Gläsern wieder auf. »Andy«, sagt er ruhig. »Sie war noch so jung. Gerade mal ein Mädchen.«
    Mr. Morrison scheint ihn nicht zu hören. »Dwight. sieh dir das an«, sagt er und kommt hinter der Rezeption vor.
    Â»Was ist das?«
    Â»Ein Telegramm aus Albany. Vom Polizeichef. Über Carl Grahm.«
    Â»Was steht drin?«
    Â»Es besagt, daß keine Person dieses Namens in der Stadt wohnt.«
    Die beiden Männer sehen sich an, dann gehen sie auf die Veranda hinaus. Ich laufe auf den Dachboden zurück, schiebe Grace Browns Briefe unter meine Matratze, steige ins Bett, drücke die Augen zu, presse die Hände auf die Ohren und bete um Schlaf.

Kippe • lig, ran • zig, plär • ren, knat • schig
    Â»Mattie, Schätzchen, hast du genug Staubtücher?«
    Â»Ja, Tante Josie.«
    Meine Tante hatte sich noch nie darüber Gedanken gemacht, ob ich genügend von irgendwas hatte, und mich noch nie
Schätzchen
genannt.
    Â»Morgen kommt Reverend Miller zum Tee, also polier doch bitte die Figuren auf Hochglanz.«
    Â»Ja, Tante Josie.«
    Doch es ging ihr nicht um ihre Figuren. Sie wollte nur, daß ich auf der Leiter blieb und abstaubte und so von der Wohnzimmertür fernblieb, damit ich nicht hören konnte, was sie sagte, und nicht sehen konnte. was sie tat. Die Tür ließ sich nicht ganz schließen, weil es zwei Tage lang geregnet hatte und die Feuchtigkeit in das Holz gezogen war. Doch wenn ich die Knie beugte und den Hals reckte, konnte ich meine Tante und Alma McIntyre durch den Spalt sehen. Sie saßen am Küchentisch. Meine Tante hielt einen Briefumschlag ins Licht.
    Â»Das ist
Diebstahl,
Josie«, hörte ich Mrs. McIntyre sagen. »Wir stehlen Emmie Hubbards Post.«
    Â»Das ist kein ›Diebstahl‹, Alma, sondern
Hilfe.
Wir versuchen, einer Nachbarin zu helfen, das ist alles«, erwiderte meine Tante.
    Â»Arn Satterlee hat ihn mir kurz vor der Mittagspause gegeben. Ich muß ihn bis zwei in den Postsack legen, sonst kriegt Emily ihn heute nicht mehr.«
    Â»Das klappt schon, Alma, das klappt schon. Es dauert doch bloß einen Moment …«
    Meine Tante sagte noch mehr, aber sie senkte die Stimme, und ich verstand nichts mehr. Ich stieg von der Trittleiter und schob sie ein bißchen näher zur Tür.
    Â»Mattie, alles klar?« rief sie laut.
    Â»Ja, Tante Josie. Ich verrück bloß die Leiter.«
    Â»Komm nicht zu nah an die Tür damit. Da ist der Boden uneben, und die Leiter ist kippelig. Ich möchte nicht, daß du fällst, meine Liebe.«
    Â»Das werd ich nicht, Tante Josie.«
    Kippelig
bedeutet wackelig und wird oft im Zusammenhang mit Booten benutzt. Bei Miss Parrish durften wir Worte wie
kippelig
im Aufsatz nicht verwenden, bei Miss Wilcox schon. Sie sagte, solche Wörter seien umgangssprachlich. Mark Twain habe ein feines Ohr für die umgangssprachlichen Wendungen am Mississippi gehabt und aufgrund dieses Talents das Schreiben als Ganzes grundlegend verändert, indem er einem Schulschwänzer erlaubte, daß er sich wie ein ungebärdiger Schulschwänzer anhörte und einem beschränkten Trunkenbold, daß er sich wie ein Trunkenbold anhörte. Ich machte
kippelig
zu meinem Wort des Tages, obwohl mir das Lexikon
nicht aufrecht
geliefert hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich
kippelig
im Lexikon finden würde. Oder ranzig, womit man Butter meint, die schlecht geworden ist. Oder
plärren.
was weinen bedeutet – das laute, jämmerliche Weinen, das Beth anstimmt, wenn sie ihren Willen nicht kriegt. Oder
knatschig,
was schmollen, sauer sein. bedeutet und auch einen bestimmten Gesichtsausdruck beschreiben kann. Wie denjenigen, der auf dem Gesicht meiner Tante zu sehen gewesen sein muß, als
    Mrs. McIntyre plötzlich hervorstieß: »Josie, wag es nicht!«
    Â»Sei still,

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