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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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nie gesehen.
    Â»Ja. also gut«, sagte ich und kletterte hinauf.
    Sobald ich mich gesetzt hatte, ließ Royal die Zügel schnalzen. Jane beugte sich zu Ada hinüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Mir war klar, daß sich meine Freundinnen für den Rest der Woche das Maul über mich zerreißen würden. Es war ein seltsames Gefühl – gleichzeitig beunruhigend und aufregend.
Quälerregend?
    Royal sagte nicht viel, als wir nach Westen fuhren in Richtung der Big Moose Road. Ich auch nicht, weil ich zu beschäftigt war, herauszufinden, was sein plötzliches Auftauchen bedeuten konnte.
    Â»Möchtest du zu Higby’s fahren?« fragte er schließlich. »Der Mann, der im Bootshaus arbeitet, ist ein Freund von mir. Sie richten gerade die Boote für die neue Saison her. Er würde uns kostenlos einen Kahn überlassen.«
    Â»Na schön«, erwiderte ich und fand, daß dies alles sehr seltsam war. Wenn es sich um ein anderes Mädchen gehandelt hätte, hätte ich gesagt, Royal sei verknallt in sie, aber es war ja bloß ich, und ich wußte es besser. Dann kam mir ein anderer Gedanke. »Royal. glaub bloß nicht, daß du mich wieder küssen oder … oder dir sonst was rausnehmen kannst. Das werd ich nicht zulassen«, sagte ich.
    Er sah mich von der Seite an. »In Ordnung, Matt. das werd ich nicht. Jedenfalls nicht, solang du’s nicht willst.«
    Â»Ich will’s nicht. Und das mein ich auch so«, antwortete ich.
Ich spiel doch nicht die Lückenbüßerin,
dachte ich.
Eine, mit der man sich vergnügen kann, bevor du zu Martha Miller abschwirrst.
    Â»Also, Matt, wie wär’s mit Kahnfahren?«
    Â»Wenn du meinst.«
    Â»Gut.«
    Als wir bei Higby’s ankamen, spannte Royal seine Pferde aus und stellte sie in den Pferch. Sein Freund ließ uns ein Boot aussuchen, Royal ruderte mit mir auf den Big Moose Lake hinaus und machte nichts Dummes oder Angeberisches, wie etwa sich aufrecht ins Boot zu stellen, und ich saß ihm gegenüber und ließ mich von der Pracht des Frühlingstags in den North Woods berauschen. Als Royal zum Rudern keine Lust mehr hatte, trieben wir eine Weile unter ein paar struppigen Schierlingstannen dahin, deren Zweige über das Ufer ragten. Er sagte nicht viel, deutete aber auf eine Stockentenfamilie, ein paar Gänsesäger und einen Blaureiher. Ich beobachtete ihn, wie er den Reiher nicht aus den Augen ließ, als er wegflog, und fragte mich, ob ich mich vielleicht getäuscht hatte in ihm. Ich war immer der Meinung gewesen, daß er den Mund nicht aufkriegte, aber vielleicht verfügte er über eine andere Art der Ausdrucksfähigkeit. Vielleicht bevorzugte er anstelle von Worten andere Dinge – die dunkle Schönheit des Sees etwa, oder die majestätische Stille des Waldes. Vielleicht verbarg sich hinter seiner Schweigsamkeit eine tiefe Empfindsamkeit.
    Aber das war ein alberner Gedanke, wie sich sogleich herausstellte.
    Â»Das Stinktier hat letzte Nacht meine ganzen Hühner gefressen«, sagte er. »Der ganze Hof war voller Gedärm und Federn. Die hab’n mir gehört, die Hühner. Ich wollt sie aufziehen und nächsten Herbst verkaufen.«
    Â»Tut mir leid, das zu hören, Royal.«
    Er seufzte. »Wenigstens hab ich noch die Henne. Die sollte wieder brüten, und wenn nicht, wird sie sicher schön fett und gibt ein gutes Essen.«
    Â»Da bin ich mir sicher.«
    Â»Aber das Geld geht mir ab. Ich spar nämlich und versuch, was auf die Seite zu legen, weil ich mich selbständig machen will.«
    Â»Ach wirklich? Was hast du denn vor?«
    Â»Landwirtschaft. Der Boden wird langsam teuer hier oben. Ein Mann sollt heutzutage ein paar Dollar auf der hohen Kante haben. Ich hätt gern eine gutgehende Molkerei. Vielleicht eines Tages sogar meine eigene Käsefabrik. Mit Käse kann man ganz gut verdienen. Der verkauft sich immer.«
    Er schwieg ein paar Sekunden, dann fügte er hinzu: »Du bringst nicht genug Land mit, Matt. Für meine Milchkühe bräucht ich zwanzig Hektar. Und noch mal dasselbe für Schafe. Acht für Mais, acht für Kartoffeln und acht für Obst. Dann könnt man den ganzen Sommer über alle Camps am See mit Beeren überschwemmen.«
    Â»Ja, das könnte man«, sagte ich und ließ meine Hand durchs Wasser gleiten. Dann schüttelte ich das Wasser ab und beschattete meine Augen, um ihn besser sehen

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