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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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wollen. Ich hatte nicht vor zu schlafen.«
    »Und hast du geträumt?« Als sie nickte, sagte er: »Erzähle uns deine Träume.«
    Der Druck auf Bryns Brust wurde schlimmer, und ihr Mund fühlte sich so ausgedörrt an, dass sie sich fragte, ob sie überhaupt noch ein einziges Wort herausbringen konnte.
    »Sprich!«, verlangte er.
    Bryn blickte zu Boden. »Da war ein Mann voller
    Dunkelheit. Ein Lord von Sliviia«, sagte sie krächzend.
    »Sein Name?«
    »Morlen. Ich glaube, er starb, getötet von einem Mädchen mit einem Messer.«
    »Nur ein Messer? Sonst nichts?«
    »Sonst nichts, Euer Ehren.«
    »Was noch?« Seine Stimme wurde schärfer.
    Den Rest wollte sie ihm nicht erzählen. Wie sollte sie dem Meisterpriester gegenüber formulieren, was sie gesehen hatte? Ich habe von der geträumt, an der Ihr in der Wüste vorbeigeritten seid, von der, die gerufen hat, dass Ellerth Euch begraben würde.
    Ihr Traum war unterbrochen worden, als die Erste Priesterin sie wachgerüttelt hatte. Sie war sich sicher, dass sie mehr verstanden hätte, wenn sie nicht unterbrochen worden wäre.
    »Sprich!«, bedrängte sie der Meisterpriester wieder.
    Sie wollte gerade den Mund öffnen, um von der Frau zu erzählen, die so ernst und konzentriert geschrieben hatte, doch da sah sie neben der Tür ein schimmerndes Wölkchen von Distelwolle auf und ab tanzen. Ein Hauch durchzog ihren Kopf und flüsterte: Erzähl es ihm nicht!
    Sonst wird sie meine Worte niemals lesen.
    Bryn fasste sich mit beiden Händen an den Bauch. Sie hatte Angst, sich übergeben zu müssen.
    Erzähl es ihm nicht, wiederholte der Hauch. Er wird mich finden und töten lassen.
    Schmerzen zogen sich durch Bryns Gelenke, hervorgerufen durch ihre Übelkeit. Sie bezweifelte, dass sie laufen konnte. »Ich kann mich nicht an mehr erinnern«, murmelte sie.
    Als ihr der Schmerz in den Kopf stieg und es ihr schwarz vor Augen wurde, empfand sie Dankbarkeit, die Augen des Meisterpriesters nicht mehr sehen zu müssen.
    Sie fiel vornüber auf den Teppich.
     
    Nachdem Bryn in Ohnmacht gefallen war, rief Ilona, die Erste Priesterin des Orakels, ein paar ältere Helferinnen herbei, um das Mädchen in die Krankenabteilung zu bringen. Dann setzte sie sich dem Meisterpriester gegenüber und wartete darauf, dass er sprechen würde. Renchald war vollkommen ruhig. »In den Überlieferungen des alten Wissens wird kein einziges Mal erwähnt, dass ein Mitglied des Tempels ohne Auftrag in der heiligsten Kammer des Orakels aufgefunden wurde«, sagte er.
    »Es ist wirklich seltsam. Die Hand des Orakels muss die Tochter des Steinhauers geleitet haben«, meinte Ilona.
    »Können wir sicher sein, dass es das Orakel war, das sie geführt hat?«, fragte er.
    »Nichts ist gewiss. Das Orakel gibt niemals alle seine Geheimnisse preis«, antwortete Ilona.
    »Vielleicht ist die Vision von Lord Morlens Tod Bryns Probe ihrer prophetischen Fähigkeiten. Morlen ist ein erfahrener Meister der schwarzen Magie, welches Mädchen könnte sich ihm schon mit einem Messer nähern, geschweige denn ihn damit umbringen? Wie auch immer, die Zeit wird es zeigen.«
    Die Zeit. Ja, die Zeit würde es wie immer an den Tag bringen. Die Zeit brachte die Wahrheit zum Vorschein, ob man das nun wollte oder nicht.
    »Wollt Ihr die Wachen, die gestern Abend eingeteilt waren, befragen, um herauszufinden, wie Bryn unbemerkt dorthin gelangen konnte?«, fragte Ilona.
    Langsam schüttelte der Meisterpriester den Kopf.
    »Das wäre nicht klug. Diese Geschichte sollte nicht zum Gerede im Tempel werden. Habt Ihr mit irgendjemand darüber gesprochen?«
    »Nein, Herr, nur mit Euch.«
    »Dann soll es auch dabei bleiben.«
    Sie nickte zustimmend. »Ich muss gestehen, dass ich neugierig bin, welcher Vogel Bryn erwählen wird.«
    »Vielleicht wird gar kein Vogel sie erwählen. Vielleicht wird der Wind sie erwählen.« Der Ausdruck seiner Augen verhärtete sich fast unmerklich. »Erstaunt es Euch, dass ich das überhaupt erwähne? Die Wahrscheinlichkeit ist zwar sehr gering, doch immerhin besteht die Möglichkeit. Schließlich war es der Wind, der sie mir zugeführt hat. Sie versuchte gerade Distelwolle zu fangen, als sie meinem Pferd fast unter die Hufe geriet.«
    Die Erste Priesterin wusste nicht, was sie sagen sollte.
    Wenn der Wind Bryn erwählte, würde sie beten, dass das Orakel ihr half, eine solche Gabe zu gebrauchen – eine Gabe, der sie selbst noch nie begegnet war und von der sie auch nicht behaupten konnte, sie zu verstehen.
     
    Die

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