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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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sie so rechtzeitig mit dem Putzen der Latrinen fertig waren, dass sie selbst auch noch baden konnten. Eigentlich wurden die Badewannen nur nachmittags am Keldestag gefüllt. Und dann waren immer die Federn zuerst dran. Wenn schließlich Mädchen wie Dawn und Bryn an die Reihe kamen, war das Wasser nur noch lauwarm und alte Seife schwamm obenauf. Aber heute hatten die älteren Helferinnen das Bad auf den frühen Morgen verlegt. Als Bryn und Dawn ihr Putzzeug und ihre Schürzen holten, waren bereits mehrere Frauen dabei, die großen Kupferbadewannen mit dampfend heißem Wasser zu füllen.
    Bryn fing am einen Ende der Latrinenreihe an und Dawn am anderen. Sie wetteiferten darum, wer zuerst in der Mitte angelangt war. Bryn arbeitete, so schnell sie konnte, und horchte dabei auf die Geräusche, die Dawns Scheuerbürste auf den seifigen Ablagen machte.
    Sie waren so zeitig fertig, dass sie noch vor dem Gong baden konnten. Sie hatten den Waschraum für sich alleine.
    Ausgelassen warf Bryn ihre Schürze von sich, bevor sie sich die Hände in einem Becken wusch. Dann zog sie ihr Nachthemd aus und stieg in eine Badewanne. Ein Stück Seife lag in einem Drahtkorb, der am Rand der Wanne hing. Sie seifte sich die Haare ein und tauchte zum Ausspülen unter. Als sie wieder auftauchte, waren sie und Dawn nicht mehr allein.
    Clea stand neben ihrer Wanne, Eloise neben Dawns.
    Charis, Narda und noch ein paar Federn lungerten um sie herum. »Eloise«, sagte Clea, »in der Wanne hier wäre fast eine Ratte ertrunken.«
    »Ratten sollten klug genug sein, unser Badewasser nicht zu verschmutzen«, gab Eloise zur Antwort.
    »Es sind doch noch mehr Wannen gerichtet, Eloise«, sagte Dawn und deutete darauf. »Und ihr habt schon mehr als genug verschmutzt«, murmelte sie.
    Eloises Faust schoss vor und schlug Dawns Kopf gegen den Rand der kupfernen Wanne. Das Metall erklang wie eine unheimliche Glocke und eine Wolke von Blut breitete sich im Badewasser aus.
    Dawn klammerte sich rechts und links am Badewannenrand fest und hob den Kopf. Aus einer Platzwunde am Haaransatz rann Blut über ihr Gesicht.
    Bryn schrie Dawns Namen und sprang aus ihrer Wanne, ihre bloßen Füße rutschten auf den glatten Fliesen.
    Sie stieß Clea und Eloise zu Seite und versuchte, zu Dawn zu gelangen.
    Irgendjemand packte Bryns Füße und stieß sie in die Wanne zu Dawn. Eine Hand drückte ihren Kopf nach unten. Spuckend und keuchend kämpfte sie. Eine andere Hand kam dazu, drückte schwer auf ihren Kopf und zwang ihr Gesicht unter Wasser. Bryn wand sich und strampelte mit den Beinen. Die Hände auf ihrem Kopf rutschten ab. Verzweifelt holte sie Luft, bevor noch mehr Hände sie an Schultern und Oberarmen packten und erbarmungslos nach unten drückten.
    Ihre Lungen brannten, aber es gab kein Entrinnen. Sie versuchte zwar, sich zu wehren und ihre Füße mit aller Kraft gegen den Wannenrand zu stemmen, doch ihre Beine waren mit Dawns Beinen verheddert und es gelang ihr nicht. Schwarzer Nebel drohte sie zu übermannen,
    doch ehe sie darin versank, ließen die Hände plötzlich los. Bryn schoss durch die Wasseroberfläche nach oben und schnappte keuchend nach Luft. Neben sich hörte sie Dawn husten.
    »Was ist denn hier los?« Hoch aufgerichtet stand Nirene neben der Wanne.
    Bryn hörte, wie die Federn mit süßlichen Stimmen Nirene erzählten, dass Dawn und Bryn sich wegen der Badewanne gestritten hätten und fast ertrunken wären. Bryn versuchte etwas zu sagen, doch sie brachte nur ein Keuchen heraus. Aus Dawns Wunde strömte das Blut und sie atmete stoßweise und rasselnd ein.
    Nirene verschränkte die Arme vor der Brust und blickte Dawn und Bryn finster an. »Ausgerechnet am Tag der Sonnenwende habt ihr eine der Wannen unbrauchbar gemacht.«
    »Das ist aber nicht wahr!«, keuchte Bryn. »Wir haben uns nicht gestritten.« Dawn stieg aus dem Bad, nahm sich ein Handtuch und warf ein anderes Bryn zu. Mit gesenktem Kopf bedeckte sie zitternd ihren knochigen Körper. Sie nahm ein weiteres Handtuch und hielt es sich an den Kopf, wobei sie Eloise und Clea unverwandt anblickte.
    Bryn hasste es, aus der Wanne steigen zu müssen, wenn andere ihr dabei zusahen. Sie wickelte sich eng in das Handtuch ein.
    »Ihr kommt mit mir«, befahl Nirene den beiden tropfenden Helferinnen.
    »Es ist aber nicht wahr!«, wiederholte Bryn, während sie hinter Nirene her durch den Flur gingen, der zum Saal der Helferinnen führte.
    »Spar dir die Mühe«, sagte Dawn neben ihr böse. »Jede Feder wird

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