Das Licht des Orakels
habt.«
»Ihre Majestät ist weiter auf der Suche nach einem Heilmittel für Zorienne, Euer Ehren.« Errington hob die Augenbrauen.
Renchald überlegte kurz und sagte: »Wie Ihr wisst, ist die Königin sehr hartnäckig.«
»Trotz Eurer Prophezeiung. Warum akzeptiert sie nicht die Worte des Orakels?«
»Mit der Zeit wird sie das sicherlich tun.« Renchald nahm einen kleinen Schluck. »Inzwischen ist Ihre Majestät weiter damit beschäftigt, sich beliebt zu machen.«
»Ja«, sagte Errington mürrisch. »Die Leute sind völlig vernarrt in Alessandra und ihre kränkelnde Tochter.
Aber wenn sie die Worte kennen würden, die das Orakel gesprochen hat, würden sie ihre Meinung auch ändern.«
»Alessandra hat beschlossen, meine Prophezeiung für sie und Zorienne nicht an die Öffentlichkeit zu bringen.
Die Königin ist keine Närrin«, sagte Renchald mit gerunzelter Stirn.
Errington neigte den Kopf. »In aller Bescheidenheit bitte ich Euch dringend, Euch noch einmal zu bemühen, Euer Ehren.«
Die Falten auf Renchalds Stirn wurden tiefer. »Ihr vergesst, dass ich mich täglich bemühe, unser Treiben so abzuschirmen, dass andere Propheten es nicht sehen können.«
Errington stellte sein Glas hin. »Vergebt mir, Euer Ehren. Bitte nehmt meine Dankbarkeit in Raynors Namen an.« Renchald nickte ernst und fragte sich, ob Errington sich im vollem Umfang des Risikos bewusst war, das sie eingegangen waren. Vielleicht war es auch ganz gut, wenn das nicht der Fall sein sollte. Der Meisterpriester hatte schwere ätherische Schutzmäntel eingesetzt, um ihre Taten den Blicken anderer Propheten und Prophetinnen zu entziehen. Es gab nur zwei Menschen, die imstande waren, solche Schutzmäntel zu durchdringen: Selid und Clea. Beide hatten bereits die Fähigkeit demonstriert, eine solche Abschirmung zu durchlöchern.
Wegen Clea brauchte sich der Tempel keine Sorgen zu machen. Wenn sie von den Bemühungen ihres Vaters zugunsten seines Sohns erführe, würde sie sich wohl kaum beschweren. Vielleicht wusste sie sogar bereits davon.
Und Selid?
Selid hatte die Wüste überlebt. Clea war in der Lage gewesen, die schwachen Spuren von Prophezeiung, die außerhalb des Tempels ausgeübt wurde, zu verfolgen. Sie hatte Selid gefunden: Lebendig und gesund lebte sie in Bewel.
Wie konnte Selid es wagen, ihre früheren Verbrechen noch zu verschlimmern, indem sie weiterhin weissagte?
Wie konnte sie es wagen, die Götter so dreist herauszufordern?
Sie würde bald für ihre Arroganz bezahlen. Sie würde es einlösen, dass sie dem Herrn des Todes geweiht war.
12
Am Tag vor dem Wintersonnwendfest blieb Ilona vor dem Allerheiligsten des Meisterpriesters stehen und richtete ihr äußeres Gesicht und ihr geheimes Herz. Dann führte die Wache sie hinein. Renchald erhob sich, um sie zu begrüßen, und beide verbeugten sich förmlich.
Sie setzte sich ihm gegenüber. »Bitte entschuldigt die Störung«, sagte sie. »Aber es stehen zwei Dinge an, die Euren Rat erfordern, Euer Ehren.«
»Ja?«
»Zum einen betrifft es die abtrünnige Prophetin. Clea konnte als Einzige eine brauchbare Vision von Selid liefern. Alle anderen haben nur Nebel gesehen.«
Er nickte. »Ja, natürlich. Selid hat einen ätherischen Schutzmantel aufgebaut. Unsere Entscheidung, sie auszuschließen, war völlig richtig. Es hat sich erwiesen, dass sie die heiligsten Gesetze des Tempels äußerst gering achtet. Aber keine Angst – sie mag sich vorübergehend vor den anderen Propheten versteckt haben, doch damit fordert sie nur den Herrn des Todes heraus.« Er seufzte.
»Sie hat Keldes nie besonders gut verstanden.«
»Sie hat die Wüste überlebt«, sagte Ilona leise. »Sie muss einen mächtigen Schutz haben.«
»Monzapel ist Keldes nicht gewachsen«, antwortete er.
»Die Göttin des Mondes wird oft unterschätzt. Monzapel ist sowohl die Dunkelheit als auch das Licht. Das stattet sie mit einer großen Macht aus.«
Renchald schüttelte nur ganz leicht den Kopf. »Keldes wird Selid einfordern.«
»Ich bin sicher, Ihr habt Recht, Euer Ehren.« Ilona legte die Hände aneinander. »Können wir über die andere Sache sprechen, wegen der ich gekommen bin?«
Mit feierlichem Gesicht sagte er: »Gewiss.«
»Es betrifft Bryn Steinhauer und Clea Errington.«
Er tippte seine Zeigefinger gegeneinander. »Aha.«
»Den ganzen Herbst über war das winderwählte Mädchen besser im Prophezeien als Clea Errington.«
»Und jetzt?«
»Während der letzten Woche vor den
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