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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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Winterferien ist Bryn vom ersten Platz der Klasse auf den letzten zurückgefallen.«
    »Ihr wisst, wie unzuverlässig die Winderwählten sind«, sagte er mit kalter Stimme.
    »Ich glaube aber, Bryn wurde unrechtmäßig mit einem Fluch belegt.«
    Es gab eine kurze Pause. Renchald stand von seinem Sitz auf und blickte in die dunkle Winternacht hinaus.
    Die Stille dauerte an. Dann drehte er sich um. »Ich habe Botschaft aus Sliviia. Lord Morlen ist lebendig und mächtiger denn je. Allmählich ist er dem Herrscher ein Dorn im Auge.« Er baute sich vor Ilona auf. »Bryn mag eine Zeit lang gut im Prophezeien gewesen sein, aber auf ihre Vorhersagen in größeren Zusammenhängen kann man sich nicht verlassen. Darüber hinaus können wir es uns nicht leisten, Lord Errington zu verärgern. Wie Ihr wisst, ist er zu unserem Fest gekommen. Wir haben uns heute getroffen und ich habe ihm einen sehr vorteilhaften Bericht über Clea gegeben.«
    Ilona blickte ihm fest in die Augen. »Einer Verfluchung müssen wir beide zustimmen, Ihr und ich. Wenn eine Verfluchung nicht dem Gesetz entsprechend ausgesprochen wurde, haben wir dafür zu sorgen, dass die Gerechtigkeit siegt.«
    Einen Augenblick lang schwieg er. »Nach dem Fest, wenn ihr Vater in den Osten zurückgekehrt ist, werde ich mich mit Clea treffen und ihr nachdrücklich klar machen, dass sie nur dann jemanden mit einem Fluch belegen darf, wenn das vom Tempel abgesegnet wurde. Ich erkenne, ob ein Fluch ausgesprochen wurde oder nicht.«
    Ilonas Verbeugung zum Abschied zeigte ihre ganze Meisterschaft in Fragen des Protokolls: Die Erste Priesterin schickt sich an, den Meisterpriester zu verlassen, nachdem sie ein Versprechen von ihm erhalten hat.
     
    Auf Befehl des Meisterpriesters brach Bolivar in Begleitung von nur zwei Wachen nach Bewel auf, um Selid aufzuspüren: mit Finian, einem jungen Krieger, der erst kürzlich vom Tempel angeworben worden war, und mit Garth, der seit über zwanzig Jahren Dienst tat. Die Zeichen des Tempels hatten sie abgelegt, denn der Meisterpriester hatte verlangt, diskret vorzugehen.
    »Fragt nicht nach Selid«, wies er sie an. »Sie hat zweifellos einen anderen Namen angenommen. Erkundigt euch nach einer jungen Schreiberin.«
    Der Morgen war kalt, aber klar und günstig für eine Reise.
     
    »Iss doch was«, drängte Dawn ihren Schützling Bryn.
    »Du bist ja nur noch Haut und Knochen.«
    Bryn sah auf den Tisch. Eier, Kartoffeln und Brot.
    Nichts davon wollte sie. Dawn zuliebe trank sie etwas Tee. Der leicht bittere Geschmack passte zu ihr.
    »Heute Abend ist das Fest!«, sagte Dawn und klatschte aufgedreht in die Hände. »Wintersonnenwende! Solz’
    Tag.« Durch das Fenster hinter ihr sah man, dass es schneite. Sie umarmte Bryn. »Dein Geburtstag!«
    Ich werde sechzehn, dachte Bryn gleichgültig.
    »Das wird aufregend, die große Halle von mehr als fünftausend Kerzen beleuchtet!«, machte Dawn weiter.
    »Und die Möglichkeit, Prominente aus ganz Sorana zu sehen«, warf Alyce ein. »Der Gästeflügel ist voll belegt.
    Adlige und Bürger werden wir in der großen Halle zu sehen bekommen.«
    Ist doch egal, dachte Bryn. Nicht ein einziger Steinhauer aus Uste wäre in der Gesellschaft um Lord Errington und seinesgleichen. Simon käme es gar nicht in den Sinn, sich auf den Weg zum Tempel zu machen. Voller Sehnsucht dachte sie an ihren Vater und wünschte sich, sie könnten sich Briefe schreiben. Doch Simon konnte weder lesen noch schreiben, und nach Dais Tod hatte das Dorf am Steinbruch keinen Schreiber mehr. Sie musste sich damit begnügen, ihren Vater in ihre Nachtgebete aufzunehmen.
    »Die Lords sind mir nicht wichtig«, meinte Dawn.
    »Ich möchte nur die Gilgamelltruppe hören.«
    Der Ruf der Gilgamelltruppe hatte sich in ganz Sorana verbreitet. Es waren vier Troubadoure, die sowohl die Lyra als auch die Laute spielten, große Trommeln schlugen und die Königshäuser in vielen Ländern unterhielten.
    Dawn führte sich auf, als wäre sie in den Sänger verliebt.
    »Keine Frau kann Avrohom hören, ohne das Gefühl zu haben, er würde jede einzelne Saite ihres Herzens berühren«, hatte sie schon oft gesagt.
    Vor einigen Wochen noch hatte Bryn sich vorgestellt, wie sie mit den anderen Helferinnen und Helfern der Musik zuhörte, vielleicht mit Kiran tanzte und ihren Spaß hatte. Doch nun war ihr das alles gleichgültig. Clea würde da sein, die Federn anführen, mit den Flügeln herumturteln und sich in der Bewunderung der vornehmen Gäste sonnen. Bryn

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