Das Licht des Orakels
waren, und dachte dankbar an die Helfer des Kochs.
Brock blickte ihn ungläubig an. »Hast du das denn nicht bemerkt?«
»Was denn?«, fragte Kiran mit einem Blick über die Schulter.
»All die Mädchen, die dir Platz gemacht und über dich getuschelt haben.«
Kiran runzelte die Stirn.
Brock senkte die Stimme. »Die Flügel werden nicht begeistert sein, wenn die Federn so von dir schwärmen, Stuko.«
Die Federn schwärmten von ihm? Brock hatte nicht das leichte Lächeln im Gesicht, das ihn normalerweise verriet, wenn er sich über jemand lustig machte. »Was scheren mich die Flügel«, sagte Kiran. »Die sind nur Schnäbel ohne Krallen.«
»Wirklich?« Brock nahm sich ein Käsepastetchen und achtete sorgfältig darauf, sich seine feinen Manschetten nicht zu beschmutzen. Er drehte sich um und suchte mit dem Blick die Halle ab. »Kannst du Willow sehen? Ich möchte in ihrer Nähe sein, wenn die Truppe zu spielen anfängt.«
»Willow?«
»Ja, und hör auf, so laut rumzubrummen.«
Kiran nahm auch ein Pastetchen. Die beiden gingen in eine Ecke, die nicht so voll, aber auch nicht zu weit von der Bühne entfernt war. Kiran sah Dawn in einem lavendelfarbenem Kleid, das zu kurz war für ihre langen Beine. Neben ihr entdeckte er Willow, bekam Blickkontakt mit ihr und winkte sie zu sich. Er war enttäuscht, Bryn nicht in der Gruppe der Freundinnen zu sehen. Alyce trug Blassgelb, Jacintas dichtes Haar war mit Blumen aus Spitze umwunden, Willow schwebte in etwas Weichem und Durchscheinendem. Aber keine Bryn.
»He! Die Gilgamelltruppe kommt!«, schrie Dawn.
Kiran stopfte sich den Rest des Pastetchens in den Mund. Dann sah er zu, wie die vier Troubadoure zur Bühne gingen. Letztes Jahr hatte er nur ihre Instrumente wahrgenommen. Nun nahm er sie insgesamt wahr, angefangen beim kleinsten Mann, dem Rothaarigen mit dem koboldhaften Gesicht, allgemein unter dem Namen Avrohom bekannt, dem berühmten Sänger der Truppe. Er füllte die größten Säle aller Herren Länder mit seiner mächtigen Stimme. Er trug ein goldenes Satinhemd und bestickte Hosen. Der Troubadour, der die Lyra trug –
eine kleine, sorgfältig gearbeitete Harfe, die er so liebevoll hielt wie ein kleines Kind –, war ein schlanker Mann, dessen üppiger schwarzer Schnurrbart zu seiner Glatze im Kontrast stand. Seine Kleidung war der des Sängers ähnlich, doch in den Farben Schwarz und Grün.
Der Lautenspieler, mit rundem Gesicht und dickem Bauch, trug Orange und Gelb, während der Trommler auffiel, weil er kein Hemd anhatte und seine rote Weste die muskulösen braunen Arme sehen ließ.
Die vier verbeugten sich vor der Gesellschaft und es wurde still in der Halle.
»Meine Damen und Herren!« Die Stimme des rothaarigen Troubadours hallte über die hochgereckten Gesichter.
»Avrohom!«, hauchte Dawn hingerissen.
»Es ist uns eine große Ehre, wieder einmal hier im Tempel des Orakels Solz’ Triumph zu feiern – die Wintersonnenwende!«
Lauter Beifall erscholl.
Der Lautenspieler schlug einen Ton an, der Harfenist griff einen Akkord, der Trommler gab ein schnelles Tempo vor und der Sänger erhob die Stimme.
Keldes geschlagen, Solz obsiegt
in dessen Strahlen das Leben liegt.
Die Leute traten aus der Mitte der Halle zurück und schufen so eine freie Fläche, damit der Tanz beginnen konnte.
Mit einem frechen Grinsen verbeugte sich Brock vor Willow: Tollpatschiger Helfer bittet die schöne Helferin um einen Tanz.
Willow antwortete mit einer Verbeugung: Demütige Helferin willigt törichterweise ein zu tanzen. Beide eilten auf die Tanzfläche.
Kiran trat von einem Fuß auf den anderen und
wünschte sich Bryn herbei. Er beobachtete, wie Calden, ein von der Lerche erwählter Junge mit dichtem blonden Schnurrbart, sich vor Jacinta verbeugte und sie zum Tanz aufforderte. Auch Alyce wurde aufgefordert, von Marvin.
Kiran wandte sich an Dawn. »Du tanzt nicht?«
»Zu groß«, sagte sie und ihr wehmütiger Blick traf sich mit seinem auf einer Augenhöhe. Dann spannten sich ihre Gesichtszüge und sie starrte wütend über seine Schulter hinweg etwas an.
Kiran wandte sich um und sah Clea und Eloise näher kommen. Rasch trat er bis an die Wand zurück und hätte dabei fast Dawn angerempelt. Die Musik dröhnte in seinen Ohren, als ein Wirbel von Trommelschlägen das Lied beendete. Er applaudierte wild und beachtete die Leute um sich herum nicht mehr.
Als das Trommeln wieder begann, konnte er Clea, die vor ihm stand, nicht länger übersehen, als sie
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