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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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die Nacht reiten müssen. Und morgen müssten sie dann ohne Wasser die Lydenwüste durchqueren.
     
    Zwei Abende später gab Selid Lance einen Kuss, bevor sie in ihr Arbeitszimmer ging. Ganz konnte sie ihren Schmerz nicht verbergen und er bemerkte ihn.
    »Was bedrückt dich?«, fragte er zärtlich. »Seit dem Konzert auf der Gemeindewiese bist du so unruhig.«
    »Morgen«, versprach sie ihm. »Morgen erzähle ich es dir. Jetzt muss ich etwas fertig machen.« Schnell wandte sie sich von ihm ab, kaum in der Lage, das Vertrauen und die Freundlichkeit, die sich in seinem Gesicht ausdrückten, zu ertragen. Was würde er tun, wenn sie tot war?
    Mit der Macht des Orakels hatte sie sich abgefunden und saß nun einsam in Kerzenlicht getaucht in ihrem Arbeitszimmer, um ihre letzte Prophezeiung zu vollenden.
    Die Prophezeiung war für die Königin von Sorana bestimmt. Selids Feder glitt über das besonders weiche Pergament. Dafür, Monzapel, hast du mich am Leben erhalten.
    Plötzlich verlöschten alle Kerzen gleichzeitig. Selid blickte auf. Da, schwankend in der Luft neben ihr, transparent wie eine Flamme, blickte eine Erscheinung sie an.
    Ein Mädchen. Das Gesicht war ihr vertraut. Diese goldbraunen Augen hatte Selid zum ersten Mal in der Wüste gesehen, als sie sie voll entsetzter Unschuld angesehen hatten.
    Und nun war sie hier und blickte sie an, hatte selbst eine Vision.
    »Du lebst?«, flüsterte sie Selid zu.
    Selid nickte und hörte zugleich den Kardinal draußen rufen. Wissen überkam sie: Der ätherische Schutzmantel, mit dem sie sich umgeben hatte, hatte sich irgendwie geteilt und gab dieser jungen Prophetin Einblick in das, was sie gerade tun wollte.
    Die Prophezeiung einer Prophezeiung.
    Wenn das Mädchen im Tempel des Orakels war, würde ihre Vision dem Meisterpriester zu Ohren kommen.
    Indem sie das Licht des Orakels wieder empfing, machte es Selid dem Herrn des Todes leichter, sie zu finden. Doch wenn die Königin ihre Prophezeiung niemals zu lesen bekäme, würde Keldes mehr als nur Selids Leben gewinnen.
    »Erzähl es ihm nicht!«, rief sie der Erscheinung zu.
    »Sonst wird sie meine Worte niemals lesen.«
    Ihre Besucherin trat erst einen Schritt vor und verschwand dann.
     
    Stunden später las Selid ihre fertige Prophezeiung noch einmal durch. Während sie las, lauschte sie mit halbem Ohr, ob sie Hufschläge hören konnte, die von der nordsüdlichen Landstraße in die schmale Straße, in der sie und Lance wohnten, abbiegen würden.
    Die Prophezeiung war genau so, wie sie sein sollte.
    Renchald selbst würde schwören, er hätte sie geschrieben.
    Dann hörte sie das Pferd, nach dem sie gelauscht hatte.
    Erst von weitem, dann näher. Sie senkte den Kopf.
    Dann w ar meine Vision also nur allzu richtig. Selid zwinkerte die Tränen weg, die ihr in die Augen stiegen.
    Sie durfte nicht zulassen, dass ihr Kummer über das eigene Schicksal die Prophezeiung für die Königin verdarb. Keine Träne sollte die Worte, die sie mit so viel Mühe geschrieben hatte, verwischen.
    Und obwohl sie um Mittemacht eintreffen wie Vorboten des Todes, sind die Freunde, die sich nun nähern, nicht der Grund m eines Kummers.
    Selid goss zwei Gläser Wasser ein und ging nach draußen an das Tor. Sie wartete auf das Klopfen. Als es kam, sagte sie: »Nennt euren Namen.« Aber sie wusste schon, wer es war.
    »Kiran«, sagte eine raue Stimme von der anderen Seite der Bohlen.
    Sie hob den Riegel und öffnete das Tor. Wie gut sie sich an den großen, sommersprossigen Helfer erinnerte.
    Andere im Tempel hatten nicht gewusst, was sie von ihm halten sollten, doch Selid war immer der Meinung gewesen, er sei etwas Besonderes. Sie hatte gesehen, wie er ein wild gewordenes Pferd einfach mit einem beruhigenden Wort zur Ruhe gebracht hatte, und hatte den Verdacht gehabt, dass er eine ungewöhnliche Intelligenz hinter seinem rohen Benehmen verbarg.
    Schwankend kam er durch das Tor. Wüste Blutergüsse verunstalteten sein Gesicht. Selid reichte ihm eines der Gläser. »Trink langsam«, sagte sie mahnend.
    Ein Hund schlich leicht hinkend hinter ihm her. Selid beugte sich nieder, um dem Hund in die Augen zu blicken. Ungleich. »Hallo, Jack!«, sagte sie. Sie zeigte auf eine Schüssel mit Wasser gleich hinter dem Tor. Dankbar sah Jack sie an, bevor er zu trinken begann.
    Kirans Hand zitterte schrecklich, als er einen Schluck Wasser trank. Er deutete nach hinten. »Bryn«, sagte er.
    »Und wir haben ein Pferd mitgebracht.«
    Selid drehte sich um. Die junge

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