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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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wild durch den Raum flatterten.
    Bryn zerschnitt die Fesseln an Kirans Füßen und zog verzweifelt an seinem Arm, um ihm auf die Beine zu helfen. Dann standen sie wie auf einer kleinen Insel der Ruhe, während der Wind um sie herum durch den Raum heulte. Windstöße peitschten um Clea, rissen ihr die Geierfeder aus der Hand, stießen ihren Stuhl, den der Ersten Priesterin und des Meisterpriesters um und schleuderten sie alle drei zu Boden.
    Clea kreischte wie ein Geier, als sie versuchte, ihre Feder wieder zu fangen, doch die fing an sich zu drehen, trieb auf den Kamin zu und landete im Feuer. Der beißende Geruch der brennenden Feder vermischte sich mit dem Gestank von Aas. Ilona blieb ruhig liegen, kämpfte nicht. Dem Meisterpriester, der auf dem Boden um sich schlug, traten die Adern auf der Stirn hervor, als er sich abmühte, den Ring der Götter emporzustrecken. Doch der Wind ließ das nicht zu.
    Kiran schwankte mit Bryn in den Korridor. Er zwang sich zu rennen, dem Wind hinterher, der durch die Flure pfiff, wo Schüler und Wachen gleichermaßen hilflos an die Wände gepresst wurden.
    Der Sturm sprengte das Tor nach draußen auf, warf die beiden Männer zur Seite, die es bewachten. Kiran taumelte über die Schwelle. Er konnte die Ställe sehen und die Wetterfahne, die sich wie ein Kreisel drehte.
    Bryn trieb ihn weiter an. »Obsidian!«, schrie sie. »Wir müssen Obsidian holen!«
    Sie rannten, bis Kiran nicht mehr weiterkonnte. Er drückte die Hände auf die Rippen. Als er sich umblickte, sah er Wachen aus dem Tempel stürzen. Einige hatten bereits ihren Bogen gespannt, doch als sie schossen,
    wurden die Pfeile vom Wind nach oben gerissen und in den Himmel gewirbelt. Wie aus einem Albtraum wirkten die Soldaten, die mit verzerrten Gesichtern und hochgezogenen Schultern gegen den Sturm kämpften und mit den Fäusten auf den Wind einschlugen.
    Obsidian!, rief Kiran. Komm zu mir, Obsidian!
    Ein gewaltiges Krachen ertönte. Die Stalltür splitterte auf und Obsidian kam auf sie zu galoppiert, ein schwarzer Blitz, so schnell wie der Wind, der ihm um die Hufe strich. Seine mächtigen Flanken pumpten und die Hufe donnerten auf den Boden.
    Als es näher kam, verlangsamte das Pferd seinen Lauf, hielt aber nicht an. Kiran warf sich auf seinen Rücken und zog Bryn vor sich auf das Pferd. Beide schmiegten sich eng an den Nacken des Hengstes. Nach draußen durch das Tor in der Mauer!, drängte Kiran ihn.
    Obsidian stürmte an dem Haufen hilfloser Wachen vorbei. Die Männer rangen mit ihren Waffen, versuchten Dolche zu zücken und Schwerter aus der Scheide zu ziehen, während der Sturm auf sie eindrosch und ihnen um die Ohren pfiff.
    Jack! Kiran konnte den Gedanken, seinen Hund zurückzulassen, nicht ertragen. Was sollte aus ihm werden, wenn er weg war? Würde der Meisterpriester ihn töten lassen, um die Würde des Tempels zu rächen? Jack, mein Freund, komm schon, wir gehen weg!
    Mit trommelnden Hufen stürmte Obsidian den breiten Weg zwischen dem Tempel und den alten Bäumen entlang auf das eiserne Tor zu. Die Wachen, die dort postiert waren, reihten sich davor auf. Als der Hengst angaloppiert kam, hoben sie die Bögen.
    Doch ein Orkan raste vor Obsidian her, er blies die Pfeile irgendwohin und stieß die Wachen zu Boden.
    Machtlos schlugen die Männer um sich, als die Torflügel aufsprangen. Über die Wachen hinweg sprang Obsidian mit einem gewaltigen Satz durch das Tor.
    Neben ihnen schoss ein Streifen von schwarzweißem Fell über den Boden. Jack! Der Hund stürmte auf die Straße. Trotz der Schmerzen, die mit jedem Atemzug schlimmer wurden, lächelte Kiran.
    Nach Norden. Nach Norden, ohne anzuhalten.
     
    An diesen Ritt würde Bryn sich immer erinnern. Als der Tempel meilenweit hinter ihnen lag, zog sie das Schülerinnengewand aus. Diese Kleidung würde jedem, dem sie zufällig begegnete, auffallen. Auch Obsidian würde Aufmerksamkeit erregen, allein weil er so prachtvoll war, doch das ließ sich nicht ändern.
    Kiran hatte die Arme um sie gelegt und sie an seine Brust gedrückt. Sie konnte seinen Herzschlag spüren, während sie auf Obsidians Rücken dahinstürmten, und nie würde sie die Wärme dieser Arme vergessen. Sie hätte nicht sagen können, was ihr lieber war, der Wind in ihrem Rücken oder Kiran.
    Er flüsterte ihr ins Ohr, dass er sich nur mit Müh und Not auf dem Pferd halten konnte und sie Obsidian lenken müsste. Es war ein langer Weg nach Tunise. Die Sonne würde untergehen und sie würden weiter durch

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