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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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in paarweiser Prophezeiung zu entziehen. Willst du das wieder gutmachen?«
    »Wenn Ihr mit Wiedergutmachung meint, das zu tun, was Ihr fordert: Nein!«, antwortete Kiran.
    Renchald erhob sich. »Für den Fall, dass du dich weigerst, Wiedergutmachung zu leisten, haben die Erste Priesterin und ich beschlossen, dich mit einem Fügsamkeitsfluch zu belegen.«
    »Mit einem Fügsamkeitsfluch?« Kiran blickte Ilona an. »Darauf habt Ihr Euch eingelassen?«, fragte er sie und glaubte, einen Funken von Mitgefühl in ihrem Gesicht zu bemerken.
    »Spiele nicht mit den Göttern!«, donnerte Renchald so laut, dass die Wände das Echo zurückwarfen. Den Göttern … den Göttern … den Göttern.
    Kiran dachte an Bryn, die auf ihn wartete. Oder würde man auch sie bei dem Fluchtversuch gefangen nehmen?
    »Ihr dient nicht den Göttern!«, sagte Kiran heiser.
    »Stellt ihn ruhig«, sagte der Meisterpriester und nickte den Wachen zu.
     
    Renchald bereitete sich darauf vor, Kirans innere Barrieren zu durchbrechen. Das war, wovor sich der aufsässige Helfer am meisten fürchtete. Es würde Kiran schwächen, und dann wäre es leichter, ihn zu verfluchen. Wenn ersieh gegen den Tempel wendet, verdient er das auch.
    Kiran kniete mit offensichtlichen Schmerzen da, der Knebel in seinem Mund schnitt in die geschwollene Haut. Zum Glück hatte der Kampf ihn viel Energie gekostet, doch noch immer konnte er bei der Schlacht in der inneren Welt ein ernsthafter Gegner sein, in der Renchald auf ihn stoßen wollte. Der Meisterpriester konnte es immer noch nicht fassen, dass ein unbewaffneter, unausgebildeter Schüler den trainierten Kriegern des Tempels solchen Schaden zugefügt hatte.
    Ich muss schnell sein und darf Kiran keine Gelegenheit geben zu reagieren.
    Der Meisterpriester sammelte all seine innere Kraft, schlug mit der ganzen Macht seiner ätherischen Waffen zu und zerschmetterte Kirans innere Barrieren.
    Renchalds Traumkörper stand in Kirans Landschaft, und für einen Augenblick war er fasziniert von ihrer Erhabenheit – eine Landschaft, in der weite Ebenen an hohe Berge grenzten, wo Tiere neben rauschenden Wasserläufen grasten und die Luft mit Helligkeit gesättigt war.
    Dann stand Kirans gequälter Geist vor ihm und schrie laut: Ihr habt mich verraten!
    Renchald gab keine Antwort. Er steckte einen Keil in die geborstene Barriere, um sie offen zu halten, und versteckte den Keil hinter einer Nebelbank. Als das getan war, merkte er, dass die Wucht seines Angriffs an der Barriere mehr zerstört hatte als beabsichtigt und Kirans Gesundheit in Gefahr war. Aber das war jetzt nicht mehr zu ändern. Darum würde er sich später kümmern, wenn der Fluch ausgesprochen war.
    Er schickte seinen Traumkörper in den Tempel zurück und nickte Clea zu.
    »Setze den Fluch.«
    Sie öffnete das Etui und holte die Feder heraus.

 
20
     
    Kiran spürte, wie das letzte bisschen Kraft ihn verließ. Bald würde er sich nicht einmal mehr auf den Knien halten können und zu Boden fallen wie ein geschlagenes Kind. Er fühlte sich nackter, als wenn man ihm die Kleider vom Leib gerissen hätte. Mit geschlossenen Augen tastete er verzweifelt in seiner inneren Landschaft umher und suchte den Schaden, den er spürte, aber nicht finden konnte.
    Da hörte er ein Krachen und schlug schnell die Augen auf. Er drehte den Kopf und sah zu seiner großen Verblüffung Bryn in der Tür stehen, mit gelösten Zöpfen und verschwitztem Gesicht. Sie keuchte, als wäre sie schnell gerannt.
    Der Meisterpriester erhob sich, während Clea und Ilona wie erstarrt sitzen blieben. Renchald machte eine Handbewegung. »Wachen!«
    Ein paar Soldaten stürzten sich auf Bryn. Sie funkelte sie zornig an und ihr Gewand fing an zu flattern wie eine Fahne im Sturm. Starker Wind pfiff plötzlich kreischend durch den Raum, fuhr die Wachen so heftig an, dass sie die Hände vors Gesicht schlugen und zurückwichen.
    Der Wind ist zu Bryn zurückgekehrt! Trotz aller Schmerzen spürte Kiran eine triumphierende Freude in sich aufsteigen. Er sah, wie ein Windstoß einer Wache den Dolch aus der Scheide zog. Der Dolch sauste durch die Luft und landete mit dem Griff in Bryns Hand. Sie sprang vor und Kiran spürte, wie die Klinge unter seinen Knebel glitt und seinen Mund befreite. Als Nächstes befreite sie seine Hände, während der Wind auf die Wachen eindrosch, die sich notgedrungen immer weiter zurückzogen, bis sie wie an die Wand genagelt dastanden. Über ihren Köpfen lösten sich Wandteppiche, die dann

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