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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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verdankten.
    David würde sich wohl nie daran gewöhnen, dass die Menschen ihn einfach durchdrangen. Es fiel ihm schwer zu akzeptieren, dass er für diese geschäftigen Römer, die ihren alltäglichen Verrichtungen nachgingen, nichts als ein Geist war. Er wünschte sich, substantiell präsent zu sein und aktiv ins Geschehen eingreifen zu können.
    Sie erreichten einen weitläufigen Platz. Das war das Forum Romanum: Ein akkurat gepflastertes rechteckiges Areal, gesäumt von imposanten zweistöckigen Gebäuden, die wiederum von schlanken Marmorsäulen flankiert wurden. Eine Reihe von Triumphsäulen, gekrönt von vergoldeten Statuen, teilte den Platz in zwei Hälften, und in der Ferne, jenseits der typisch römischen Dächer mit der sanften Schräge und den roten Ziegeln erkannte er das Rund des Kolosseums.
    In einer Ecke sah er eine Gruppe vornehm gewandeter Bürger – Senatoren vielleicht –, die ein Streitgespräch führten und auf Schrifttafeln tippten. Für die Schönheit des Platzes hatten sie kein Auge. Diese Stadt war kein Freilichtmuseum, sondern die Hauptstadt eines großen, komplexen und straff organisierten Reichs – das Washington der Antike. Das authentische Ambiente unterschied sich wohltuend von den Rekonstruktionen der Museen, Filme und Bücher vor der Zeit der WurmCam.
    Dennoch waren dieser imperialen Stadt, die auf eine über halbtausendjährige Geschichte zurückblickte, nur noch ein paar Jahrhunderte beschieden. Die großen Aquädukte würden verfallen, die öffentlichen Brunnen versiegen – und für die nächsten tausend Jahre würden die Römer ihr Wasser aus dem Tiber schöpfen müssen.
    Er spürte eine Berührung an der Schulter.
    David fuhr erschrocken herum und sah sich einem mit anthrazitfarbenem Anzug und Krawatte bekleideten Mann gegenüber, der hier völlig fehl am Platz wirkte. Er hatte kurzes blondes Haar und zeigte eine Marke vor. Und wie David und Heather schwebte auch er ein paar Meter über dem Kaiserlichen Rom.
    Es war der FBI-Spezialagent Michael Mavens.
    »Sie«, sagte David. »Was wollen Sie von uns? Meinen Sie nicht, Sie hätten meiner Familie schon genug geschadet, Spezialagent?«
    »Ich hatte nie vor, Ihnen zu schaden, Sir.«
    »Und nun…«
    »Und nun brauche ich Ihre Hilfe.«
    Widerwillig führte David die Hände zum GeistigeAuge- Stirnband. Er verspürte wieder dieses unerklärliche Prickeln, als die Transceiver-Verbindung des Geräts zum Gehirn unterbrochen wurde.
    Plötzlich tauchte er in die warme römische Nacht ein.
    Das Forum Romanum verwandelte sich schlagartig in einen Steinbruch. Große Marmorbrocken lagen auf der Erde, die von der verschmutzten Luft der Stadt bräunlich verfärbt waren. Von den großen Gebäuden waren nur noch ein paar Säulen und Querstreben übrig, die wie Zahnstümpfe aus dem Boden ragten. Bleivergiftetes Gras spross in den Ritzen zwischen den Steinplatten.
    Inmitten der schrillen Touristen des 21. Jahrhunderts wirkte Mavens sogar noch deplazierter als im alten Rom.
    Michael Mavens drehte sich zu Heather um und schaute sie an. In den geweiteten Pupillen funkelten die Blickpunkte, die von den in die Netzhaut implantierten miniaturisierten WurmCam- Generatoren erzeugt wurden. David nahm ihre Hand und drückte sie sanft.
    Mavens und Davids Blicke trafen sich. Er nickte verstehend. »Wir müssen reden, Sir«, sagte er. »Es ist dringend.«
    »Mein Bruder?«
    »Ja.«
    »Na schön. Wollen Sie uns zum Hotel begleiten? Es ist nicht weit.«
    »Sehr gern.«
    Also verließ David das Trümmerfeld des Forum Romanum und geleitete Heather durch den Schutt. Heather drehte den Kopf wie eine automatische Kamera. Sie war noch immer im strahlenden Glanz einer untergegangenen Stadt versunken, und Raumzeit-Verzerrungen spiegelten sich in ihren Augen.
     
    Sie erreichten das Hotel.
    Heather hatte kaum ein Wort gesagt, seit sie vom Forum Romanum aufgebrochen waren. Sie bot David die Wange zum Kuss und ging in ihr Zimmer. Dort starrte sie im Dunkeln mit funkelnden Wurmloch-Augen an die Decke. David fragte sich, was sie da wohl sah.
    Dann ging er in sein Zimmer, wo Mavens schon auf ihn wartete. David holte ihnen einen Drink aus der Minibar: Einen Single Malt für sich selbst und einen Bourbon für den Agenten.
    Mavens machte Small Talk. »Hiram Patterson ist wirklich ein Genie. Im Badezimmer habe ich eben einen WurmCam- Spiegel als Zahnstocher verwendet. Meine Frau hat eine Wurmloch- NannyCam zu Hause. Mein Bruder und seine Frau beaufsichtigen ihre dreizehnjährige

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