Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
Sommertag, weder heiß noch kalt – eine diffuse, schwüle Zumutung. Bobby schwitzte in seiner SmartShroud, die er aber auf keinen Fall ablegen durfte.
    Bobby und Kate glitten geschmeidig und unbemerkt von einer Gruppe zur nächsten. Routiniert tauchten sie in einen Pulk aus Menschen ein und bahnten sich einen Weg ins Zentrum. Wenn die Zusammenrottung sich auflöste, gingen sie jedesmal in einer anderen Richtung weiter. Manchmal mussten sie auch umkehren und folgten dabei ihrer eigenen Spur zurück. Sie kamen nur langsam voran. Trotzdem wäre ein eventueller WurmCam- Schnüffler nur imstande gewesen, sie ein paar Schritte lang zu verfolgen. Diese Strategie war so effektiv, dass Bobby sich fragte, wie viele Flüchtlinge noch sich heute wohl wie Geister unter die Leute gemischt hatten.
    Trotz Klimakollaps und Verarmung war London ein beliebtes Reiseziel geblieben. Die Touristen kamen in Scharen und besuchten die Kunstgalerien, die historischen Stätten und Paläste. Die königliche Familie residierte freilich nicht mehr in den Schlössern, sondern machte sich im monarchistischen Australien einen sonnigen Lenz.
    Es war aber nicht zu übersehen, dass diese Stadt schon bessere Zeiten erlebt hatte. Bei den meisten Geschäften handelte es sich um basarartige Läden mit offener Vorderseite. In den Häuserzeilen klafften Lücken, wodurch sie wie kariöse Zahnreihen anmuteten. Dennoch war diese Straße, die früher eine der großen Einkaufsstraßen der Stadt gewesen war, sehr belebt. In den träge sich dahinwälzenden Menschenmassen konnte man auch etwaige Verfolger leicht abschütteln.
    Bobby war der enge Körperkontakt zuwider. Vier Jahre, nachdem Kate sein Implantat deaktiviert hatte, war er noch immer ziemlich schreckhaft und scheute vor den Berührungen durch seine Mitmenschen zurück. Als besonders unangenehm empfand er den Kontakt mit den schwabbeligen Bäuchen und Hintern der Japaner im mittleren Alter, die in Scharen hier auftraten. Japan schien sich als Reaktion auf die WurmCam in ein einziges FKK-Revier verwandelt zu haben.
    Über den Gesprächsfetzen, die ihm von allen Seiten ins Ohr drangen, hörte er plötzlich einen Ruf: »Platz da!« Die Leute wichen zur Seite wie beim Stiertreiben in Pamplona, wenn die wilden Stiere durch die Gassen preschten. Bobby zog Kate in den Eingang eines Ladens.
    Durch die Gasse, die von der Menge geöffnet wurde, kam eine Rikscha. Sie wurde von einem fetten Mann mit freiem Oberkörper gezogen. Die Brust war schweißüberströmt. Die Frau in der Rikscha sprach in ein Handgelenk-Implantat. Sie schien eine Amerikanerin zu sein.
    Nachdem die Rikscha vorbeigefahren war, schlossen Bobby und Kate sich dem wieder zusammenfließenden Strom der Menschen an. Bobby strich mit den Fingern über Kates Handfläche und signalisierte: Schöner Kerl.
    Kann nichts dafür, erwiderte Kate. Sieh noch mal hin. Rikscha-Typ wahrscheinlich früherer Schatzkanzler…
    Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge und gingen in östlicher Richtung zur Kreuzung Oxford Street und Tottenham Court Road. Hinter dem Oxford-Kreisel wurde es etwas ruhiger. Weil die Gefahr der Enttarnung nun größer wurde, bewegten Kate und Bobby sich vorsichtiger und schneller. Bobby war darauf vorbereitet, jeden Moment eine von mehreren Fluchtrouten zu wählen.
    Kate hatte die Kapuze der SmartShroud etwas gelockert. Die Gesichtsmaske bot ihr ausreichend Schutz. Wenn sie sich nicht bewegte, verschmolz sie durch die Hologramm-Projektoren der SmartShroud mit dem Hintergrund, sodass sie aus keiner Perspektive zu sehen war. Diese Illusion währte aber nur solange, bis sie sich wieder in Bewegung setzte. Weil die Prozessoren zu langsam waren, verschwamm das Tarnbild und löste sich in Pixelpakete auf. Trotz dieser Unzulänglichkeiten würde die SmartShroud einen unaufmerksamen WurmCam- Beobachter täuschen. Sie war auf jeden Fall besser als nichts.
    Bobby und Kate trugen außerdem Wärmemasken, die sie perfekt tarnten. Die Masken erzeugten falsche Infrarot-Signaturen, boten aber keinen Tragekomfort mit den integrierten Heizelementen. Bobby hatte das Gefühl, ein Brandeisen würde ihm auf die Wange gedrückt. Es gab auch Ganzkörper-Masken, die nach diesem Prinzip arbeiteten. Die gehobene Ausführung war sogar imstande, die charakteristische IR-Signatur eines Mannes in die einer Frau zu verwandeln – und umgekehrt. Den mit Heizdrähten ummantelten Penisköcher wollte Bobby sich allerdings nicht antun. Auf Sadomaso stand er nämlich

Weitere Kostenlose Bücher