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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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erste in eine dunkle Höhle öffnete.
     
    Nur mit der Ruhe. Einen Fuß vor den andern setzen… In völliger Dunkelheit führte »4712425« Bobby und Kate eine kurze Treppe hinunter.
    Mit Hilfe der Echos und Gerüche machte er sich ein Bild von dem Raum: Er war groß und hatte kahle Wände – Gipswände vielleicht –, mit einem schallschluckenden Teppich als Bodenbelag. Es roch nach Essen und Heißgetränken. Und es waren Leute anwesend: Seine Nase registrierte ihre Ausdünstungen und er hörte ihre Bewegungen.
    Ich entwickle mich noch zum Maulwurf, sagte er sie sich. In ein paar Jahren komme ich ganz ohne Augen aus.
    Sie erreichten den Treppenabsatz. Ein Raunt mit etwa fünfzehn Quadratmetern, signalisierte »4712425«. Zwei Türen an der Rückseite. Toiletten. Elf bis vierzehn Leute hier, alles Erwachsene. Fenster können variabel verdunkelt werden. Das war wichtig, denn Räumlichkeiten mit ständiger Verdunkelung erweckten bald den Verdacht, dass es sich um Flüchtlings-Nester handeln könnte.
    Scheint alles in Ordnung zu sein, signalisierte Kate. Offensichtlich gibt’s hier was zu essen und Schlafmöglichkeiten. Komm. Sie zupfte an ihrer SmartShroud und an der Springerkombi, die sie darunter trug.
    Seufzend folgte Bobby ihrem Beispiel und übergab die abgelegten Kleidungsstücke an »47124125«, die sie in einem unsichtbaren Regal deponierte. Als sie dann bis auf die Wärmemasken nackt waren, fassten sie sich wieder an den Händen und schlossen sich der Gruppe an, die in ihrer Nacktheit anonym blieb. Bobby rechnete damit, dass er während der Versammlung auch noch die Wärmemaske tauschen würde, um eventuelle Spanner zu verwirren.
    Sie wurden begrüßt. Hände – männliche und weibliche, von denen letztere wesentlich feingliedriger waren – schwebten vor Bobbys Gesicht. Dann streckte jemand die Hand nach ihm aus – er hatte den holistischen Eindruck einer Frau in den Fünfzigern, die kleiner war als er – und strich ihm mit kleinen Händen und ungelenken Bewegungen übers Gesicht, die Hände und Handgelenke.
    So tasteten die Flüchtlinge sich in der Dunkelheit ab, um sich gegenseitig zu identifizieren. Diese Erkennung, die aufwändig durchgeführt und zögernd, oft sogar nur unter Vorbehalt bestätigt wurde, basierte weder auf Namen noch Gesichtern, weder auf visuellen noch auf akustischen Merkmalen, sondern auf subtileren Kriterien: die Konturen einer Person, ihr typischer Geruch – der auch von gründlicher Wäsche nicht ausgelöscht wurde –, der Stärke oder Schwäche der Berührung, der Art der Kommunikation, der Wärme oder Kälte, der Aura schlechthin.
    Bei der ersten Begegnung dieser Art hatte Bobby sich unbehaglich gefühlt und war bei jeder weiteren Berührung im Dunkel zurückgezuckt. Es war aber bestimmt nicht die unangenehmste Art, Leute zu begrüßen. Wie Kate ihm gesagt hatte, rührte dieser nonverbale Kram, das Berühren und Streicheln, wahrscheinlich an einen tiefen animalischen Instinkt der menschlichen Natur.
    Bald entspannte er sich und fühlte sich sicher.
    Natürlich suchten auch Freaks und Kriminelle Zuflucht in der Anonymität der Flüchtlings-Gemeinschaften. Für Leute, die einen Flüchtling suchten – in welcher Absicht auch immer –, war es kein Problem, diese Gemeinschaften zu infiltrieren. Bobby wusste aus eigener Erfahrung, dass die Flüchtlinge eine ausgesprochen effektive Selbstverwaltung hatten. Es gab zwar keine zentrale Koordination, aber alle Mitglieder waren daran interessiert, die Integrität der Ortsgruppe und der Bewegung als solche zu bewahren. Störer wurden schnell identifiziert und rausgeworfen; das galt auch für Bundesagenten und andere Schnüffler.
    Bobby fragte sich, ob so vielleicht die ›Urgemeinde‹ der Menschheit in einer vernetzten, WurmCam- dominierten Zukunft aussehen könnte. Wahrscheinlich würden die Menschen sich in Form lockerer, selbstverwalteter Netzwerke organisieren, die vielleicht chaotisch und sogar ineffizient, aber tragfähig und flexibel waren. Damit ähnelten die Flüchtlinge Gruppierungen wie den MAS-Netzwerken, den Wahrheitsschwadronen und frühen Gemeinschaften wie den ›Sternguckern‹, die den Wurmwald entdeckt hatten.
    Nachdem die WurmCam die Menschen aller Tabus und jeder Intimsphäre beraubt hatte, fielen sie vielleicht in archaische Verhaltensmuster zurück. Die Körpersprache der Flüchtlinge hatte zum Beispiel Ähnlichkeit mit dem Lausen der Schimpansen. Diese Begegnungen, die von der Wärme, dem Geruch, der

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