Das Licht ferner Tage
tierischen und menschlichen Angriffen geeignet waren.
Schließlich erreichten sie den Grat. David und Bobby, die auf der Schulter ihrer Urahnin saßen, schauten mit ihr ins Tal hinunter.
»Meine Güte…«, sagte David.
Sie blickten auf eine weite Ebene hinunter. Am Horizont, vielleicht im Norden, ragten schwarze Berge auf, an deren Flanken sich weiße Gletscher hinabzogen. Die Sonne stand hoch an einem königsblauen Himmel.
Sie sahen keine Anzeichen menschlicher Existenz. Alle Spuren, die Menschen jemals hinterlassen hatten, waren auf dieser frostigen Welt verwischt worden.
Dennoch war das Tal nicht leer.
David verglich es mit einem Teppich: Ein wogender Teppich aus massigen Körpern, die mit einem langen rot-braunen Pelz besetzt waren, der bis auf den Boden hing. Sie sahen aus wie Moschusochsen. Die aus einzelnen Gruppen bestehende Herde bewegte sich langsam und war ständig am Grasen. Am diesseitigen Rand der Herde löste ein Jungtier sich leichtsinnigerweise vom Muttertier und scharrte auf dem Boden. Ein Wolf, ein hageres Exemplar mit weißem Fell, schlich sich an. Die Mutter des Kalbs scherte aus der Herde aus und ließ drohend die gekrümmten Stoßzähne blitzen. Der Wolf trollte sich.
»Mammuts«, sagte David.
»Die Herde muss aus Zehntausenden von Tieren bestehen. Und was ist das da, eine Art Hirsch? Sind das Kamele? Und – o mein Gott – das ist ein Säbelzahntiger.«
»Löwen, Tiger und Bären«, konstatierte David. »Möchtest du weitergehen?«
»Unbedingt.«
Das eiszeitliche Tal löste sich wie Nebel auf, und nur die menschlichen Gesichter blieben. Bis sie wie Kalenderblätter wegfielen.
David erkannte noch immer eine Familienähnlichkeit in den Gesichtern seiner Vorfahren: Blutjunge Mütter mit vollem Gesicht und der Signatur aus blauen Augen und strohblondem Haar.
Die Welt hatte sich dramatisch verändert.
Schwere Stürme tobten, manchmal jahrelang. Die Ahnen kämpften sich durch Eis und Schnee, Steppen und Wüsten. Sie litten Hunger und Durst, und ihr Gesundheitszustand war generell schlecht.
»Wir sind richtige Glückspilze«, sagte David. »Unser Klima ist seit Jahrtausenden vergleichsweise stabil. Wir hatten genug Zeit, Landwirtschaft zu entwickeln, Städte zu errichten und die Welt zu erobern. Wenn ich mir nun das hier ansehe…«
»Das Überleben der Menschheit steht in dieser Periode auf der Kippe«, sagte Bobby versonnen.
In einer Tiefe von tausend Generationen wurden die Gesichter dunkler.
»Wir ziehen nach Süden«, sagte Bobby. »Wir verlieren die Adaption an kältere Klimazonen. Gehen wir etwa nach Afrika zurück?«
»Ja.« David lächelte. »Wir gehen nach Hause.«
Als diese erste große Wanderung nach einem Dutzend Generationen beendet war, stabilisierten die Bilder sich wieder.
Sie standen an der Südspitze von Afrika, östlich vom Kap der Guten Hoffnung. Die Gruppe der Vorfahren hatte eine Höhle in der Nähe eines Strands erreicht, aus dem braunes Sedimentgestein ragte.
Das schien ein guter Platz zu sein. Grasland und Wald, das von Büschen und Bäumen mit großen, bunten stachligen Blumen dominiert wurde, die bis zur Wasserlinie sich hinunterzogen. Der Gezeitensaum war mit Seetang, Quallen und Tintenfischen übersät.
Der Wald schien wildreich. Zuerst sahen sie bekannte Tiere wie Antilopen, Springböcke, Elefanten und Wildschweine.Tiefer in der Zeit tauchten dann exotischere Spezies auf: Langhorn-Büffel, Hartebeests * und eine Art Riesenpferd, das wie ein Zebra gestreift war.
Und in den Höhlen hausten Generationen von Vorfahren der Menschheit.
Die historischen Veränderungen fanden nunmehr in langen Zeiträumen statt. Für eine Weile waren die Alten noch anständig gekleidet. Nach ein paar hundert Generationen ließ die Kleiderordnung dann nach, bis die Menschen nur noch Ledersäcke am Leib trugen; und zum Schluss nicht mal mehr das. Pfeil und Bogen gab es noch nicht; statt dessen kamen bei der Jagd Speere mit Steinspitzen und Steinäxte zum Einsatz. Die Steinwerkzeuge wurden primitiver, und die Jäger zeigten immer weniger Einsatz. Oft beschränkten ihre Bemühungen sich darauf, bereits verwundeten Tieren den Fangstoß zu geben.
In den Höhlen – deren Böden über die Jahrtausende immer tiefer absanken, je mehr Schichten menschlicher Hinterlassenschaften im Rücklauf der Zeit abgetragen wurden – waren zunächst noch Ansätze sozialer Strukturen zu erkennen. Es gab sogar Kunst, Abbildungen von Tieren und Menschen, mit denen die Wände in mühsamer
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