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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Arbeit verziert wurden.
    In einer Zeitentiefe von zwölf tausend Generationen waren noch keine Zeichnungen entstanden, und die Wände blieben kahl.
    David schauderte. Er befand sich nun in einer Welt ohne Kunst, in der es weder Gemälde noch Bücher oder Skulpturen gab, vielleicht nicht einmal Lieder und Gedichte. Die Welt wurde des Geists beraubt.
    Sie fielen tiefer und tiefer, durch drei-, viertausend Generationen: Eine unendliche Zeitwüste, die von einem Zug von Vorfahren durchquert wurde, die in dieser Höhle sich vermehrten und ihr trostloses Leben fristeten. Die Galerie der Großmütter blieb im wesentlichen unverändert – David glaubte aber, zunehmende Verständnislosigkeit, Verwirrung und gar einen Anflug kreatürlicher Angst in diesen dunklen Gesichtern zu erkennen.
    Plötzlich erfolgte ein Bruch, der einschneidender war als alle bisherigen. Diesmal war es nicht die Landschaft, die sich veränderte, sondern das Antlitz der Vorfahren selbst.
    David verlangsamte den Fall, und die Brüder betrachteten die älteste ihrer Großmütter. Die aus dem Loch der afrikanischen Höhle lugte, die ihre Nachkommen für Tausende von Generationen bewohnen würden.
    Sie hatte ein übergroßes Gesicht. Die Augen standen zu weit auseinander, und die Nase war platt. Die Proportionen stimmten nicht, als ob das Gesicht gestaucht worden wäre. Aus der Stirn wuchs ein massiver Wulst, eine knochige Schwellung wie ein Tumor. Er beschattete die Augen, die tief in den Höhlen lagen. Eine Ausbeulung am Hinterkopf glich das Gewicht des Wulstes aus, verlieh dem Kopf aber eine solche Masse, dass das Kinn fast auf der Brust ruhte und der kräftige Hals nicht senkrecht, sondern schräg stand.
    Der Blick war klar und intelligent.
    Sie war menschlicher als jeder Affe und war doch kein Mensch. Die gleichzeitige Ähnlichkeit und Fremdartigkeit verwirrten die Brüder.
    Sie war unverkennbar ein Vormensch.
    »Sie ist schön«, fand Bobby.
    »Ja«, sagte David atemlos. »Die Paläontologen werden wieder die Schulbank drücken müssen.«
    Unwillkürlich fragte er sich, wie viele Beobachter aus einer fernen Zukunft ihn und seinen Bruder studierten, während sie als erste Menschen ihren urmenschlichen Ahnen gegenüberstanden. Ihm dämmerte, dass er wohl nie imstande wäre, sich die Gestalt zukünftiger Erdbewohner vorzustellen, die Werkzeuge, die sie benutzten, ihre Mentalität – genauso wenig, wie seine Urmenschen-Großmutter imstande gewesen wäre, sich sein Labor vorzustellen, seinen halb unsichtbaren Bruder, die glänzende Hightech-Ausrüstung.
    Jene Beobachter würden in einer noch ferneren Zukunft wiederum observiert werden, wobei dieser Faden sich bis zu den letzten Menschen und deren potentiellen Nachfolgern spinnen ließ. Das war eine monströse Vorstellung.
    Vorausgesetzt, ein Mensch überlebte den Wurmwald.
    »Oh…«, flüsterte Bobby. Er klang enttäuscht.
    »Was denn?«
    »Es ist nicht deine Schuld. Ich kannte das Risiko.« David hörte sich nähernde Geräusche, raschelndes Gewebe und sah einen diffusen Schemen.
    Er wandte sich um. Bobby war verschwunden.
    Dafür stürmte Hiram ins Labor und schlug die Tür hinter sich zu. »Ich hab sie«, jubelte er. »Ich werd’ verrückt. Ich hab sie!« Er schlug David herzhaft auf den Rücken. »Das DNA-Spürgerät ist erste Sahne. Manzoni und Mary im Doppelpack.« Er hob den Kopf. »Hörst du mich, Bobby? Ich weiß, dass du hier bist. Ich habe sie! Und wenn du sie wiedersehen willst, dann musst du zu mir kommen. Hast du verstanden?«
    David schaute seiner Urahnin in die tief liegenden Augen – eine Angehörige einer fremden Spezies, von der ihn fünftausend Generationen trennten – und löschte den Inhalt der SoftScreen.

 
5

FAMILIENGESCHICHTE
     
     
    Nachdem Kate also mit Gewalt in die offene menschliche Gesellschaft zurückgeholt worden war, stellte sie mit Erleichterung fest, dass die Anklage gegen sie nichtig geworden war. Sie fiel aus allen Wolken, als sie von Mary und ihren Freunden getrennt und wieder in Gewahrsam genommen wurde – diesmal von Hiram Patterson.
     
    Die Tür zu ihrem Gefängnis öffnete sich. Das geschah zweimal am Tag.
    Ihre Aufseherin erschien im Türrahmen: eine große, gertenschlanke Frau, die mit einem schlichten Hosenanzug bekleidet war. Man hätte sie sogar als schön bezeichnen können – wäre da nicht dieser kalte Fischblick gewesen, bei dem Kate fröstelte.
    Kate wusste inzwischen, dass ihr Name Mae Wilson war.
    Sie schob ein Servierwägelchen durch die

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