Das Licht ferner Tage
Implikationen beunruhigen dich.«
So heftig, dass sie sich schämte, sprang sie darauf an. »Natürlich ist das beunruhigend. Eine so mächtige Technologie…«
»Du warst dabei, als die Vereinbarung mit dem FBI getroffen wurde. Eine Abmachung, mit der wir die WurmCam in die Hände des Volkes gelegt haben.«
»Ach, Bobby… Das Volk weiß nicht einmal, dass das verdammte Ding überhaupt existiert, geschweige denn, dass die Regierungsbehörden es gegen die eigene Bevölkerung einsetzt. Schau dir nur die Steuerhinterzieher an, die plötzlich auffliegen, die Eltern, die keinen Unterhalt für ihre Kinder zahlen, die Überprüfung von Waffenkäufern, die Sexualverbrecher…«
»Das ist doch gut so, oder? Was willst du damit sagen – dass du der Regierung misstraust? Wir leben nicht mehr im zwanzigsten Jahrhundert.«
Sie grunzte. »Erinnere dich daran, was Jefferson gesagt hat: ›Jede Regierung verdirbt, wenn ihr die Herrschaft über das Volk überlassen wird. Das Volk selbst ist sein bester Sachwalter…‹ Und was ist mit der Observierung der Republikaner? Ist das vielleicht im Interesse des Volkes?«
»Du weißt nicht, ob das Weiße Haus dafür die WurmCam eingesetzt hat.«
»Was denn sonst?« Kate schüttelte den Kopf. »Ich hatte Hiram gebeten, weitere Nachforschungen anstellen zu dürfen. Er hat mir den Fall sofort entzogen. Die Leute in der Administration und in den Regierungsbehörden sind nicht notwendigerweise kriminell, aber sie sind eben auch nur Menschen. Und wenn man ihnen eine so mächtige Geheimwaffe an die Hand gibt – Bobby, mit einer solchen Machtfülle würde ich nicht einmal mir selbst trauen. Der Versuch, die Republikaner auszuspähen, ist nur der Anfang des Orwellschen Albtraums, der bald über uns hereinbricht.
Und was Hiram betrifft – hast du überhaupt eine Ahnung, wie er seine Mitarbeiter bei OurWorld behandelt? Bewerber werden durchleuchtet bis hin zu einer DNA-Analyse. Er erstellt Profile von den Beschäftigten, indem er eine Kreditauskunft einholt, ein polizeiliches Führungszeugnis anfordert und sogar bei anderen Behörden Erkundigungen einzieht. Damit hatte er zuvor schon genügend Möglichkeiten, die Produktivität und Leistung seiner Leute zu messen und sie umfassend zu kontrollieren. Jetzt, wo Hiram die WurmCam hat, vermag er uns vierundzwanzig Stunden am Tag zu überwachen, wenn ihm danach ist.
Und es gibt nichts, was wir dagegen tun könnten. Es existiert sogar eine Reihe von Gerichtsurteilen, wonach Arbeitnehmer keinen verfassungsrechtlichen Schutz vor der Überwachung durch ihre Bosse genießen.«
»Aber er muss das tun, damit die Leute überhaupt noch arbeiten«, sagte Bobby trocken. »Seit du die Sache mit dem Wurmwald publik gemacht hast, sind die Fehlzeiten und der Alkohol- und Drogenkonsum am Arbeitsplatz explodiert, und…«
»Das hat nichts mit dem Wurmwald zu tun«, sagte sie nachdrücklich. »Das ist eine Frage der Grundrechte. Bobby, begreifst du das denn nicht? OurWorld ist ein Vorgeschmack auf die Zukunft der Menschheit – wenn Ungeheuer wie Hiram in den Besitz der WurmCam gelangen. Und deshalb kommt es darauf an, dass die Technologie so weit und so schnell wie möglich verbreitet wird. Es würde dann wenigstens auf Gegenseitigkeit beruhen: Der eine beobachtet den anderen dabei, wie der ihn beobachtet…« Sie schaute ihm in die silbrigen, insektenhaften Augen.
»Danke für den Vortrag«, entgegnete er gleichmütig. »Und aus diesem Grund wendest du dich von mir ab?«
Sie schaute weg.
»Es hat überhaupt nichts mit der WurmCam zu tun, nicht wahr?« Er beugte sich vor. »Es gibt da etwas, das du mir verheimlichst«, sagte er ihr auf den Kopf zu. »Du verhältst dich schon seit Tagen so merkwürdig. Sogar seit Wochen. Was ist los, Kate? Du brauchst keine Angst zu haben, dass du mich verletzt. Das kannst du nicht.«
Wahrscheinlich nicht, sagte sie sich. Und das, armer, lieber Bobby, ist des Pudels Kern.
Sie drehte sich zu ihm um. »Bobby, das Implantat, das Hiram dir hat einsetzen lassen, als du ein Junge warst…«
»Ja?«
»Ich habe herausgefunden, welchem Zweck es dient. Welchem Zweck es wirklich dient.«
Der Moment zog sich in die Länge, und sie spürte das stechende Sonnenlicht im Gesicht. Die UV-Konzentration war hoch, obwohl es noch so früh im Jahr war.
»Sag’s mir«, erwiderte er leise.
Die Spezial-Routinen der Suchmaschine hatten es ihr im Detail erklärt. Es handelte sich um ein klassisches Stück neurobiologischer
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