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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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Bewusstseinsmanipulation des frühen 21. Jahrhunderts.
    Und es hatte nichts mit Leseschwäche oder Hyperaktivität zu tun, wie Hiram behauptet hatte.
    Zuerst hatte Hiram die neuronale Stimulation von Bereichen in den Schläfenlappen von Bobbys Gehirn unterdrücken lassen, die Sitz von Gefühlen spiritueller Transzendenz und mystischer Präsenz waren. Dann hatten die Ärzte Eingriffe in Teile der Caudatus-Region vorgenommen, um sicherzustellen, dass Bobby nicht von Symptomen einer Zwangsneurose befallen wurde. Die rief bei manchen Menschen ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis, Ordnungssinn sowie ein Verlangen nach Berechenbarkeit und Ritualen hervor – Bedürfnisse, die unter Umständen durch die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft befriedigt wurde.
    Hiram hatte offensichtlich versucht, Bobby von den religiösen Impulsen abzuschirmen, die bei seinem Bruder so massiv aufgetreten waren. Er hatte Bobby ein Leben in einer profanen und nüchternen Welt zugedacht, bar des Transzendenten und Übersinnlichen. Bobby würde nicht einmal wissen, dass ihm etwas fehlte. Das war, sagte Kate sich, eine ›Theosektomie‹ – das spirituelle Äquivalent einer Vasektomie.
    Darüber hinaus beeinflusste Hirams Implantat auch das komplexe Zusammenspiel von Hormonen, Neurotransmittern und Gehirnregionen, die stimuliert wurden, wenn Bobby mit einer Frau schlief. So unterdrückte das Implantat das opiatähnliche Hormon Oxytocin, das im Hypothalamus produziert wurde und das Gehirn beim Orgasmus durchflutete. Es erzeugte die Gefühle inniger Verbundenheit, die auf solche Akte immer folgten.
    Dank einer Reihe von Liaisons mit Töchtern aus gutem Hause – die Hiram diskret angebahnt, gefördert und sogar publik gemacht hatte –, war Bobby zu einer Art Sexualathlet geworden, wobei der Akt an sich ihm großes körperliches Vergnügen bereitet hatte. Sein Vater hatte ihn jedoch der Fähigkeit beraubt, Liebe zu empfinden und Loyalität zu verspüren – außer seinem Vater gegenüber. Was wohl auch Hirams Absicht gewesen war.
    Das war noch nicht alles. Eine Verbindung zum inneren Bereich von Bobbys Gehirn, der als Amygdala bezeichnet wurde, diente wahrscheinlich dazu, negative Emotionen zu dämpfen. Die Manipulation von Bobbys Großhirnrinde sollte wohl seinen freien Willen unterdrücken. Und so weiter und so fort.
    Hiram hatte seine Enttäuschung über David kompensiert, indem er aus Bobby einen perfekten Sohn machte: Das hieß – perfekt zugeschnitten auf Hirams Ziele. Allerdings hatte Hiram seinem Sohn durch seine Handlungsweise viel von dem genommen, was einen Menschen ausmachte.
    Bis Kate Manzoni den Schalter in seinem Kopf fand.
    Sie nahm Bobby in das kleine Apartment mit, das sie in der Innenstadt von Seattle gemietet hatte. Zum ersten Mal seit ein paar Wochen schliefen sie wieder einmal miteinander.
    Danach lag Bobby in ihren Armen. Er war erhitzt, und an den Stellen, wo sie sich berührt hatten, war seine Haut feucht. Er war ihr so nah, wie es nur möglich war – und doch war er weit weg. Es war, als ob sie versuchte, einen Fremden zu lieben.
    Wenigstens kannte sie nun den Grund dafür.
    Sie berührte ihn am Hinterkopf und spürte die harten Konturen des Implantats unter der Haut. »Bist du sicher, dass du das tun willst?«
    Er zögerte. »Mich beunruhigt, dass ich nicht weiß, wie ich mich hinterher fühlen werde… Kann ich noch immer ich sein?«
    »Du wirst dich lebendig fühlen«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Du wirst dich wie ein Mensch fühlen.«
    Er hielt die Luft an und sagte dann so leise, dass sie es kaum hörte: »Tu es.«
    Sie wandte den Kopf. »Suchmaschine.«
    »Ja, Kate.«
    »Schalte es ab…«
     
    … und für Bobby, der noch immer das warme Nachglühen des Orgasmus verspürte, war es, als ob die Frau in seinen Armen plötzlich räumliche Gestalt erlangt hätte und als ganzheitliches Wesen zum Leben erwacht wäre. Alles, was er sah, fühlte und roch – den Duft ihres Haars, der schöne Schwung ihrer Wange mit dem Widerschein des gedämpften Lichts, der weiche glatte Körper –, war noch immer so wie zuvor. Doch hatte er außerdem das Gefühl, durch die Oberfläche ins Innerste von Kate gelangt zu sein. Er schaute ihr in die Augen, die aufmerksam und voller Sorge waren – Sorge um ihn, durchfuhr ihn die Erkenntnis. Er war nicht mehr allein. Und bis eben war er sich dessen nicht einmal bewusst gewesen.
    Am liebsten wäre er in ihrer ozeanischen Wärme versunken.
    Sie berührte seine Wange. Als sie die

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