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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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einer Kreuzung spazierte eine ältere Dame bei Rot über die Straße und beobachtete die Beamten durch die Windschutzscheibe herausfordernd. Und so weiter. Die Polizisten schauten zu, ohne einzuschreiten. Das Auto war kaum weitergefahren, als die Leute sich nach dem Aufmucken gegenüber den Behörden wieder in offensichtlich gesetzestreue Bürger verwandelten.
    Dies war ein weitverbreitetes Phänomen. Es hatte eine erstaunlich breite, wenn auch stumme Rebellion gegen das neue Regime unsichtbarer WurmCam- Aufseher stattgefunden. Die Vorstellung, dass die Behörden mit einer solch tiefgreifenden Kontrollbefugnis ausgestattet waren, lief anscheinend dem Instinkt vieler Amerikaner zuwider, und im ganzen Land war ein Anstieg der Kleinkriminalitäts-Rate zu verzeichnen gewesen. An sich gesetzestreue Bürger schienen plötzlich das Bedürfnis zu verspüren, Ordnungswidrigkeiten zu begehen – Papier auf die Straße zu werfen und rote Ampeln zu missachten –, als ob sie damit beweisen wollten, dass sie trotz der mutmaßlichen Bespitzelung durch die Behörden immer noch freie Bürger waren. Und die örtliche Polizei tolerierte dieses Verhalten.
    Das waren nur Petitessen zur Verteidigung der Freiheit. Bobby fand, dass es sich dabei um eine gesunde Reaktion handelte.
    Er erreichte die Hauptstraße. Animierte Abbildungen auf Boulevardzeitungs-Automaten forderten ihn auf, die neusten Nachrichten herunterzuladen, für nur zehn Dollar. Er überflog die reißerischen Schlagzeilen. Es gab auch ein paar seriöse Nachrichten auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene, doch gingen diese Nachrichten in den trivialen Meldungen der Boulevardblätter fast unter – die Stadt schien gerade eine Cholera-Epidemie überstanden zu haben, die durch die Wasserknappheit verursacht worden war, und hatte zudem Probleme, das Flüchtlingskontingent von Galveston Island aufzunehmen, das durch den Anstieg des Meeresspiegels bedroht wurde.
    Eine örtliche Kongressabgeordnete war zum Rücktritt vom Amt gezwungen worden, nachdem eine WurmCam sie sexueller Ausschweifungen überführt hatte. Man hatte sie dabei erwischt, wie sie einen High-School-Footballhelden, der als Belohnung für seine sportlichen Leistungen nach Washington geschickt worden war, zu einer anderen Art athletischer Übungen gezwungen hatte… Der Junge war aber schon in einem Alter, wo der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nicht mehr zutraf. In Bobbys Augen hatte die Kongressabgeordnete sich im heraufziehenden Zeitalter der WurmCam nur des Vergehens der Dummheit strafbar gemacht.
    Da war sie freilich nicht die einzige. Dem Vernehmen nach hatten zwanzig Prozent der Kongressabgeordneten und fast ein Drittel aller Senatoren auf eine Wiederwahl verzichtet beziehungsweise den vorzeitigen Rückzug aus der Politik bekannt gegeben. Wieder andere waren gleich zurückgetreten. Manche Kommentatoren prognostizierten, dass die Hälfte aller amerikanischen Mandatsträger zum Rücktritt gezwungen sein würde, noch bevor die WurmCam im nationalen und individuellen Bewusstsein verankert war.
    Etliche Leute hielten das für eine gute Sache – dass man die Politiker auf diese Weise zur Räson bringen konnte. Andere wiesen darauf hin, dass es im Leben der meisten Menschen Momente gäbe, die sie nicht unbedingt mit dem Rest der Menschheit teilen wollten. Vielleicht wären nach ein paar Legislaturperioden nur noch solche Leute im Amt, beziehungsweise würden sich um ein politisches Amt bewerben, die pathologisch langweilig waren und überhaupt kein Privatleben mehr hatten.
    Ohne Zweifel würde die Wahrheit wie immer irgendwo in der Mitte zwischen den Extremen liegen.
    Es erfolgten noch ein paar Meldungen zur Sensation der letzten Woche: Skrupellose Mitarbeiter des Weißen Hauses hatten versucht, einen Konkurrenten von Präsidentin Juarez bei der nächsten Wahlkampfkampagne unmöglich zu machen. Sie hatten ihn mit einer WurmCam observiert, als er auf dem Lokus saß, in der Nase bohrte und sich irgendwelchen Schmutz aus dem Nabel kratzte.
    Freilich hatte sich diese Aktion als Bumerang für die Voyeure erwiesen und Gouverneur Beauchamps Popularität keinen Abbruch getan. Schließlich war ein Toilettengang ein allzu menschliches Bedürfnis, wobei jeder sich wohl fragte, ob ein WurmCam- Blickpunkt bereits auf ihn oder sie hinab- (oder noch schlimmer, zu ihm oder ihr hinauf-) schaute.
    Sogar Bobby ging nur noch im Schutz der Dunkelheit auf die Toilette. Das war nicht einfach; nicht

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