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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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unverständlichen Muster konfigurieren, als ob ein weiterer Chip in seinem Kopf abgeschaltet worden wäre. Er schaute Kate an, die wie ein Häufchen Elend dasaß.
    Hiram, dessen Zorn längst verraucht war, erfasste die Weiterungen sofort. Er hob den Kopf. »Ich frage mich, wie viele von ihnen uns in diesem Moment beobachten.«
    »Wer?« fragte Mavens.
    »In der Zukunft. Begreifen Sie das denn nicht? Wenn er Recht hat, dann ist dieser Augenblick – hier und jetzt – ein Wendepunkt in der Geschichte: Die Erfindung des Vergangenheits-Betrachters. Wahrscheinlich wimmelt es nur so von WurmCam- Bildpunkten, die zukünftige Historiker hier platziert haben. Biographen. Hagiographen.« Er hob den Kopf und bleckte die Zähne. »Seht ihr mich? Seid ihr alle da? Erinnert ihr euch an meinen Namen? Ich bin Hiram Patterson! Ha! Seht her, was ich geschaffen habe, ihr Arschlöcher!«
     
    Im Labyrinth der Zukunft erwiderten unzählige Zuschauer seinen herausfordernden Blick.

 
ZWEI
     
DIE AUGEN GOTTES
     
     
Die Geschichte… ist in der Tat kaum mehr als eine Chronik der Verbrechen, Irrtümer und Misserfolge der Menschheit.
    - Edward Gibbon (1737-1794)

 
1

WÄNDE AUS GLAS
     
     
    Kate saß in Untersuchungshaft und wartete darauf, dass ihr der Prozess gemacht wurde. Wegen der Komplexität des Falls dauerte es eine Weile, bis die Sache zur Verhandlung anstand. Außerdem hatten Hirams Anwälte übers FBI beantragt, das Verfahren zu vertagen, bis die neuen Vergangenheits-Betrachtungs-Fähigkeiten der WurmCam- Technologie zur Serienreife gelangt waren.
    Kates Fall hatte eine so große Publizität erlangt, dass das Gerichtsurteil jetzt schon als Präzedenzfall angesehen wurde. Noch bevor man das Vergangenheits-Betrachtungs-Potential der WurmCam in vollem Umfang erkannt hatte, erwartete man schon unmittelbare Auswirkungen auf alle schwebenden Strafverfahren. Viele größere Fälle waren in Erwartung neuer Beweise vertagt oder ausgesetzt worden, so dass im Moment nur noch geringfügige und eindeutige Delikte verhandelt wurden.
    Kate würde, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, für eine lange Zeit nirgendwo mehr hingehen.
    Also beschloss Bobby, seine Mutter zu suchen.
     
    Heather Mays lebte in einem Ort namens Thomas City in der Nähe der Grenze von Utah und Arizona. Bobby flog nach Cedar City und nahm von dort aus ein Auto. Nachdem er in Thomas angekommen war, stellte er den Wagen ein paar Blocks von Heathers Haus entfernt ab und ging zu Fuß weiter.
    Ein Polizeiauto fuhr lautlos vorbei, und ein korpulenter Polizist musterte Bobby. Auf dem mit Basalzell-Karzinomen übersäten Mondgesicht des Manns lag ein feindseliger Ausdruck. Der finstere Blick wurde sogleich freundlicher, als der Mann ihn erkannte. Guten Tag, Mr. Patterson, las Bobby ihm von den Lippen ab.
    Als der Wagen weiterfuhr, verspürte Bobby einen Anflug von Unsicherheit. Die WurmCam hatte Hiram zum berühmtesten Mann auf Erden gemacht, und im alles sehenden Auge der Öffentlichkeit stand Bobby direkt an seiner Seite.
    Er wusste auch, dass ihn, während er sich dem Haus seiner Mutter näherte, hundert WurmCam- Bildpunkte umschwirrten und ihm in diesem schweren Moment wie unsichtbare emotionale Vampire ins Gesicht schauten.
    Mühsam versuchte er, nicht darüber nachzudenken: Die einzig mögliche Verteidigung gegen die WurmCam. Er schlenderte durchs Zentrum der kleinen Stadt.
    Obwohl es schon April war, fiel noch Schnee auf die Dächer der Schindelhäuser, die so aussahen wie vor hundert Jahren. Er kam an einem Weiher vorbei, auf dem Kinder Schlittschuh liefen. Sie zogen jauchzend in engen Kreisen ihre Bahn. Selbst in der fahlen winterlichen Sonne trugen die Kinder Sonnenbrillen und hatten die Gesichter dick mit Sonnenschutz eingecremt.
    Thomas war ein friedlicher, anonymer Ort, wie es ihn hier, im großen Herzen Amerikas, wohl zu Hunderten gab, sagte er sich. Es war ein Ort, der ihm vor einem Vierteljahr noch sterbenslangweilig vorgekommen wäre, falls er hier die Kindheit verbracht hätte, wäre er wahrscheinlich so bald wie möglich nach Vegas abgehauen. Trotzdem fragte er sich, wie es gewesen wäre, hier aufzuwachsen.
    Während er dem Polizeiauto nachschaute, das langsam die Straße entlang fuhr, bemerkte er einen seltsamen Ausbruch von zivilem Ungehorsam im Rücken der Ordnungshüter. Ein Mann kam aus einem Fast-Food-Restaurant, zerknüllte das Papier, in dem das Essen verpackt war, und ließ es vor den Augen der Staatsgewalt achtlos auf den Boden fallen. An

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