Das Licht ferner Tage
WurmCam und ging von dem Moment zurück, als Fermat diese Randnotiz gemacht hatte.
… Hier hatte es begonnen, und es war nur angemessen, dass es hier auch endete. Es handelte sich immerhin um Diophantus’ 8. Problem, das ihn fasziniert und auf eine mathematische Entdeckungsreise geschickt hatte: Man drücke eine Quadratzahl als Summe zweier Quadratzahlen aus. Das war natürlich der algebraische Ausdruck des Satzes des Pythagoras, dessen Lösungen wirklich jedes Schulkind kannte: Hier zum Beispiel waren drei 2 plus vier 2 neun plus 16, was 25 und damit fünf 2 ergab.
Es stellte sich die Frage, ob es über diese geometrische Trivialität hinaus Anwendungsmöglichkeiten gab. Gab es Zahlen, die man als Summen größerer Potenzen auszudrücken vermochte? Drei 3 plus vier 3 waren 27 plus 64, was in der Summe 91 ergab – aber keine Kubikzahl mehr war. Existierten solche Tripletts überhaupt? Und wie verhielt es sich mit den höheren Potenzen, der vierten, fünften und sechsten…?
Den Altvorderen waren solche Fälle offensichtlich weder bekannt noch hatten sie einen Beweis für die Unmöglichkeit erbracht.
Und nun war ihm, Fermat – der er nicht einmal Mathematiker, sondern Rechtsanwalt und Friedensrichter war –, der Beweis gelungen, dass keine Tripletts für höhere Potenzen als zwei existierten.
Bernadette bildete Blätter mit Notizen ab, die den Beweis enthielten, den Fermat gefunden zu haben glaubte, und erschloss sich mit Hilfe eines Lehrers ihre Bedeutung.
… Im Moment wurde er von seinen beruflichen Pflichten voll in Anspruch genommen. Als er schließlich die Zeit fand, kleidete er die gekritzelten Notizen und Skizzen in ein formal korrektes Theorem, das er Desargues, Descartes, Pascal, Bernouilli und den anderen zukommen ließ – die würden vielleicht Augen machen beim Anblick des ebenso eleganten wie weitreichenden Lehrsatzes!
Er trieb die Zahlenforschung voran: Diese klaren und dennoch komplexen Entitäten muteten zuweilen so fremdartig an, dass er ihnen eine Existenz jenseits des menschlichen Geists zuschrieb, der sie doch erschaffen hatte…
Pierre de Fermat hat den Beweis für das, was als sein Letztes Theorem bekannt wurde, nie erbracht. Diese Randnotizen, die Fermats Sohn nach seinem Tod entdeckt hatte, wurden für spätere Generationen von Mathematikern ein Faszinosum, an dem sie sich die Zähne ausbissen. Der Beweis wurde schließlich doch erbracht – in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Er war so kompliziert und mit abstrakten Eigenschaften elliptischer Kurven und anderen unbekannten mathematischen Entitäten gespickt, dass die Wissenschaftler Fermat rückwirkend die Fähigkeit absprachen, den Beweis zu seiner Zeit überhaupt zu erbringen. Vielleicht hatte er sich geirrt – oder er hatte der Nachwelt einen Bären aufgebunden.
Im Jahr 2037 verblüffte die vierzehnjährige Bernadette Winstanley die Wissenschaft, indem sie mit Schulmathematik bewies, dass Fermat doch Recht gehabt hatte.
Die Veröffentlichung von Fermats Beweis löste eine Revolution in der Mathematik aus.
Patefields Aussage: Natürlich hat das schlaue Schulmädchen sofort einen Weg gefunden, in der Geschichte Online zu gehen. Als Wissenschaftler und Rationalist betrachte ich die WurmCam als außerordentlichen Glücksfall. Sie bringt die Wahrheit kompromisslos an den Tag.
Inzwischen steht auch fest, dass es im Jahr 1947 keinen UFO-Absturz in Roswell, New Mexiko gegeben hat. Alle bisher untersuchten Fälle von Entführungen durch Außerirdische haben sich als Fehlinterpretationen harmloser Erscheinungen erwiesen, die oft durch einen gestörten Geisteszustand kompliziert wurden. Genauso wenig wurden Beweise für angebliche paranormale beziehungsweise übernatürliche Phänomene gefunden.
Die Gilde der Hellseher, Medien, Astrologen, Wunderheiler, Homöopathen et cetera hat keine Konjunktur mehr. Ich freue mich auf den Tag, da die WurmCam bis zum Bau der Pyramiden reicht, nach Stonehenge, zu den Nazca-Geoglyphen und anderen Quellen der ›Weisheit‹ und ›Mysterien‹. Und dann wäre da noch Atlantis…
Eine neue Zeit bricht an. Vielleicht wird in nicht allzu ferner Zukunft die Menschheit zum Schluss kommen, dass die Wahrheit interessanter ist als die Illusion.
Florenz, Italien. 12. April 1506 A.D.
Bernice war sich durchaus bewusst, dass sie nur eine kleine Forscherin im Kuratorbüro des Louvre war. Deshalb war die Überraschung umso größer, als man ihr den Auftrag erteilte, eines der
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