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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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die Tür öffnete, sank der noch warme Körper seines Sohns ihm in die Arme. Dann rief er die Suchmaschine.«
    »Aber Wilsons Sperma…«
    »Nachdem sie Wilson an jenem Abend einen geblasen hatte, sammelte sie sein Sperma in einem Tiefkühl-Reagenzglas, das sie aus einem Medizinlabor entwendet hatte. Sie hatte das von langer Hand vorbereitet.« Er zuckte die Schultern. »Der Plan hat funktioniert. Sie wollte ihren Vater aus Rache vernichten, weil er sie in ihren Augen zurückgesetzt hatte. Sie wäre auch damit durchgekommen, wenn es die WurmCam nicht gäbe. Also…«
    »Also wurde der Falsche verurteilt.«
    »Hingerichtet.«
    Mavens tippte auf den Bildschirm und rief ein anderes Bild auf. Es zeigte eine blonde Frau in den Vierzigern. Sie hatte ein verhärmtes Gesicht und saß in einem schäbigen Büro.
    »Das ist Mae Wilson«, sagte Mavens. »Philips Frau und Adoptivmutter der beiden Kinder. Sie hatte sich mit dem Tod des Jungen abgefunden, den sie als scheußliches Verbrechen ihres Manns betrachtete. Sie hatte sich sogar mit Barbara versöhnt und Trost bei ihr gefunden. In diesem Moment wurde sie mit einer noch viel grausameren Wahrheit konfrontiert.«
    Bobby fühlte sich unbehaglich angesichts des Leids und Kummers, mit dem er konfrontiert wurde. Mavens schaltete erneut auf Standbild.
    »Genau hier«, murmelte er. »Hier haben wir ihr das Herz gebrochen. Und ich bin dafür verantwortlich.«
    »Sie haben Ihr Bestes getan.«
    »Nein. Ich habe eben nicht mein Bestes getan. Barbara hatte ein Alibi. Im Rückblick hätte ich dieses Alibi aber widerlegen können. Zumal es noch andere Ungereimtheiten gab: Abweichungen im Zeitablauf und die Verteilung des Bluts. Aber ich habe es nicht gesehen.« Er schaute Bobby in die Augen. »Ich habe die Wahrheit nicht erkannt. Wissen Sie, was Ihre WurmCam ist? Es ist eine Wahrheitsmaschine.«
    Bobby schüttelte den Kopf. »Nein. Es ist eine Rückblick-Maschine.«
    »Es ist richtig, die Wahrheit ans Licht zu bringen«, sagte Mavens. »Dieser Ansicht bin ich nach wie vor. Keine Frage. Manchmal schmerzt die Wahrheit unerträglich. Sehen Sie sich nur die arme Mae Wilson an. Und wissen Sie was? Ihr hat die Wahrheit nicht geholfen. Sie hat ihr weder Mian noch den Ehemann zurückgebracht. Sie hat nur bewirkt, dass ihr auch noch die Tochter verloren ging.«
    »Jeder von uns wird auf die eine oder andere Art gezwungen werden, sich mit allen Fehlern auseinander zu setzen, die er jemals begangen hat.«
    »Vielleicht«, sagte Mavens leise. Lächelnd fuhr er mit dem Finger an der Schreibtischkante entlang. »Für mich hat die WurmCam die Konsequenz, dass meine Arbeit keine intellektuelle Übung mehr ist. Kombinieren à la Sherlock Holmes ist passe. Nun sitze ich jeden Tag hier und verfolge, mit welcher Entschlossenheit, Grausamkeit und Berechnung Verbrechen begangen wurden. Wir sind Tiere, Bobby. Bestien in Nadelstreifen.« Noch immer lächelnd schüttelte er den Kopf und fuhr unablässig mit dem Finger an der Schreibtischkante entlang, vor und zurück.

 
7

ZEIT
     
     
    In dem Maß, wie Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit der WurmCam zunahmen, observierten unsichtbare Augen die Geschichte der Menschheit und spähten immer tiefer in die Zeit…
     
    Princeton, New Jersey, 17. April 1955 A. D.
    Die gute Laune, die er in seinen letzten Stunden an den Tag legte, erstaunte die Besucher. Er wirkte gefasst, riss Witze über die Ärzte, und überhaupt schien er das nahende Ende als unvermeidliches Naturereignis zu betrachten.
    Bis zuletzt erteilte er noch im Kasernenhofton Befehle. Er wollte nicht zu einem Wallfahrtsobjekt werden, und deshalb verfügte er, dass sein Büro am Institut nicht in dem Zustand belassen werden solle, in dem er es verlassen hatte, dass sein Haus nicht zu einer Pilgerstätte werden dürfe und so weiter.
    Als Doktor Dean um 23 Uhr ein letztes Mal bei ihm vorbeischaute, fand er ihn friedlich schlafend vor.
    Kurz nach Mitternacht bemerkte seine Pflegerin – Mrs. Alberta Roszel – eine Veränderung in seiner Atemtätigkeit. Sie rief um Hilfe, und mit einer weiteren Pflegerin hob sie seinen Kopf an.
    Er murmelte etwas, und Mrs. Roszel legte das Ohr an seine Lippen.
    Als der brillanteste Geist seit Newton schon im Begriff war, sich ins Jenseits zu verabschieden, wallten noch letzte Gedanken an die Oberfläche seines Bewusstseins. Vielleicht bedauerte er es, dass es ihm nicht vergönnt war, das große Projekt der Einheitlichen Feldtheorie zu vollenden. Vielleicht fragte er sich

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