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Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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leid«, sagte Estermond. »Ich bin einfach zu alt.«
    »Wybart?«
    Der einstige Räuber senkte den Kopf. »Weißt du noch? ›Es kommt nicht auf den Einzelnen an, sondern die Sache.‹ Deine Worte! Und Banneisen hat uns aufgegeben.«
    April nickte und starrte ins Leere. Eine Träne lief ihr über die Wange.
    »Ich komme mit dir«, sagte Cassiopeia da und trat neben sie.
    »Du?«, staunte April.
    »Ich komme auch mit«, sagte Edric, und da lächelte April.
    »Und ich«, sagte Horb zur allgemeinen Überraschung.
    »Es tut mir leid«, sagte er mit Blick auf Claire. »Ich hätte besser auf ihn achtgeben sollen.« Er und Estermond tauschten kurz Blicke, und der ältere Mann nickte ihm zu. »Möge die Prophetin dich beschützen, Horb.«
    Eine Weile standen die beiden Gruppen einander gegenüber und musterten sich. Alle wussten, sie würden sich nach diesem Tag vielleicht nie wieder begegnen.
    »Gut«, sagte Toska. »Dann soll es so sein. Ich wünsche euch von Herzen alles Gute.«
    »In einer Stunde brechen wir auf«, sagte April.

    Cassiopeia beobachtete, wie sie wegging, und entschloss sich, als sie nach einer Weile nicht wiederkam, nach ihr zu sehen, während die anderen sich zum Aufbruch bereit machten. Sie fand April nicht weit von der Lichtung auf einem umgestürzten Baumstamm, das Gesicht in den Händen. Ihr Schwert steckte vor ihr im Boden wie eine seltsame, weißstielige Blume. Ein Schmetterling hatte sich auf dem silbernen Kelch niedergelassen und flog eilig davon, als die schwarzgewandete Frau nähertrat.
    »Lass mich«, sagte April. »Ich brauche nur einen Moment.«
    »Du hast keine Ahnung, wie du es anstellen sollst«, stellte Cassiopeia fest.
    Zu ihrer Überraschung nickte April. »Wie kommt es nur, dass die Schwierigkeiten immer mehr werden, je weiter man kommt? Vor gar nicht langer Zeit, da wollten wir einfach bloß nach Fængos. Und vor einem Jahr war mir mein Ziel ganz egal – Hauptsache weg.« Sie musste lächeln. »Die Zahl der Leute, die mir ans Leben wollten, war mal ganz überschaubar, weißt du? Jetzt sind da die Dons, und die Präfekten, es gibt vielleicht Krieg, und Banneisen ist gefangen … Aber keine Angst.« Sie schluckte und mühte sich um Zuversicht. »Er wird uns nicht aufgeben. Das ist ein Versprechen.«
    »Er?«, fragte Cassiopeia. » Uns aufgeben?«
    Doch April nickte nur und gab keine Antwort.
    »Ich habe keine Angst«, sagte Cassiopeia und studierte das Schwert. »Doch was Versprechen angeht … Ich habe gelernt, dass eine Klinge stärker ist als Worte.«
    »Glaubst du?« April griff nach Schneeklinge und nahm sie wieder an sich. Cassiopeia ließ sie nicht aus den Augen. »Du solltest diese Klinge nicht in den Boden stoßen«, murmelte sie. »Manche Schwerter erwarten ein Herz, wenn sie ihre Scheide verlassen. Nichts anderes ist gut genug für sie.«
    »Glaub mir«, sagte April, »dieses Schwert kennt mein Herz nur zu gut.«
    »Worauf immer du wartest, warte besser nicht zu lange.« Cassiopeia wandte sich zum Gehen. »Meine Entscheidung, dich zu begleiten, steht – doch die anderen zwei haben Angst.«
    »Zu zweit oder zu viert – macht das denn einen Unterschied?«
    »Nein«, sagte Cassiopeia. »Und wenn du ein Herz hast, wie du sagst, lässt du sie gehen.«
    »Wir werden sehen«, erwiderte April.

    April hielt ihr Schwert ausgestreckt von sich. Die Sonne spiegelte sich im Eis der Klinge und warf einen hellen Lichtfleck auf die nahen Bäume. Sie legte den Kopf schief, drehte ihre Hand ein paar Zoll, und der Lichtfleck zuckte flimmernd über die Stämme. Das Spiel hatte eine seltsam beruhigende Wirkung auf sie. Schließlich aber gab sie es auf.
    Das Licht kam tief im Wald zur Ruhe.
    April erhob sich und steckte das Schwert weg.
    Das Licht war noch da.
    April machte einen Schritt darauf zu.
    Das Licht wanderte, nur ein paar Handbreit, und leuchtete dann noch klarer als zuvor.
    Ihr Herz tat einen Sprung.
    Er ist zurück!
    April folgte dem Licht in den Wald.
    Eine Weile schien es nicht näherzukommen, wie das Leuchtfeuer einer fernen Küste, die man niemals erreicht, doch je tiefer April in den Wald ging, desto kühler wurde es. Die Bäume wurden höher und dunkler, ihre Blätter nahmen einen tiefblauen Schimmer an, und April war sich nicht mehr sicher, wo sie sich befand.
    Schließlich hatte sie das Licht eingeholt. Es hing wie eine große, strahlende Flocke vor ihr in der Luft.
    »Schneeweiß«, sagte sie. »Ich wusste, ihr würdet mich nicht im Stich lassen.« Sie hob die Hand, doch

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