Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)
Wolken, die sich über den Türmen sammelten, hatten die trockene Lebendigkeit von Rauch, oder einesSandsturms, und änderten ihre Erscheinung schneller, als man zuschauen konnte.
Allein Sariks Riesenvogel stand noch unbeschadet an seinem Platz. Sie eilten hoffnungsvoll darauf zu, als sich dahinter, in dem zerstörten Wehrturm, eine Tür öffnete, und sich mehrere Gestalten durch die Trümmer kämpften.
Es waren aber keine Soldaten.
»Verdammt«, keuchte Janner, als er sie sah. »Torreno – und Krayn.« Mit ihnen näherten sich vier weitere Männer.
»Janner!«, schrie Don Torreno. »Verflucht sollst du sein!«
»Sie wollen den Vogel zerstören«, rief April. »Schnell!« Sie und Edric rannten vor, um Sariks Wundermaschine zu schützen. Sie kreuzten die Klingen mit den Angreifern und stachen sie nieder, einen nach dem anderen. Edric ging dabei zu Boden, doch April stellte sich schützend vor den Verwundeten. Janner kam an ihre Seite gehumpelt und hob Edrics Schwert auf. Vor ihnen, in gemessenem Abstand, standen der Don und Krayn.
»Das also ist das Mädchen, von dem man sich so viel erzählt«, staunte der Don. In seinen Augen flackerten Unglaube und Hass, so wild wie das Elmsfeuer an den Masten. »Na los!«, rief er Krayn zu, seinem letzten verbliebenen Mann. »Worauf wartest du noch? Töte sie!«
Krayn zögerte, dann trat er langsam vor und hob sein Schwert; und da erst sah April, dass es Banneisen war, das er in Händen hielt. Er ließ sie keinen Moment aus den Augen.
»Hallo, Krayn«, sagte sie und hob Schneeklinge.
»Nicht!«, rief Janner und wollte dazwischentreten.
Da packte Krayn das große schwarze Schwert mit beiden Händen, eine am Heft, eine an der Fehlschärfe, drehte es in einer knappen Bewegung und stieß es nach hinten, mitten in den großen Bauch Don Torrenos.
Verdutzt brach Antonio Torreno zusammen. Blut sprudelte über seine Lippen. »Du verdammtes Schwein«, brachte er hervor.
Krayn zog das Schwert wieder heraus, ohne sich umzudrehen.Dann stürzte der Don der Länge nach hin. Krayn hob Banneisen und warf das Schwert vor sich zu Boden. Es traf den Stein laut wie ein Hammer den Amboss.
April richtete Schneeklinge auf ihn. »Warte«, sagte Janner und legte ihr die Hand auf den Arm. Dann hob er seine Waffe auf.
Er und Krayn musterten sich.
»Großes Ehrenwort«, sagte Krayn und tippte sich an die Augenklappe.
»Ich bin überrascht«, gestand Janner. Dann nickte er in Richtung des Toten. »Er sicher auch.«
Krayn zuckte die Schultern. »Er wusste nie, wann es genug ist.«
»Und nun? Wie geht es weiter?«
»Banneisen hat Don Torreno getötet. Das werde ich allen sagen.«
Janner wiegte nachdenklich den Kopf. »Das war das letzte Mal, dass wir uns treffen.«
Der kahlköpfige Mann nickte knapp. Einen Moment noch schauten sie sich an. Dann wandte Krayn sich ab, stieg über die Leiche zu seinen Füßen und lief zurück zum Turm.
April half Edric, aufzustehen. Er hatte eine tiefe Wunde am Bein, die sie notdürftig mit seinem Gürtel abband.
»Sind wir vollzählig?«, fragte Janner. »Ich hörte von drei tapferen Kriegern, die Damosfels angriffen.«
»Horb liegt da hinten, zwischen den Trümmern«, sagte April leise. »Wer hat dir das erzählt?«
»Cassiopeia kam zu mir«, sagte Janner. »Ein oder zwei Stunden vor dir.«
»Und wo steckt sie? Kommt sie noch?«
»Nein«, sagte Janner. »Ich denke nicht.«
»Fliegen wir!«, sagte April und zeigte ihm, wie er sich festschnallen musste. Mühsam schleppten sie den Vogel zu einer Stelle der Mauer, wo die Blitze die Zinnen vollständig weggesprengt hatten. In der Tiefe unter ihnen gähnte der Burggraben.»Findest du wirklich?«, fragte Janner. »Denn wenn du dir nicht ganz sicher bist …«
Der Wind schlug plötzlich um und traf sie von hinten.
»Ich bin sicher!«, schrie April. »Haltet euch fest!«
Mit einem lauten Schrei stürzten sie sich von der Mauer.
Sarik stand auf der Anhöhe, die Arme erhoben, und dachte an Musik. Zu seiner Zeit hatten die Eolyn komplexe, mehrstimmige Kompositionen für viele Instrumente erdacht; die Art von Musik, für die man einen Dirigenten brauchte. Der Dirigent spielte die Musiker – sie alle waren seine Instrumente. Sariks Instrumente waren Wolken und Regen in tausend Variationen, der Wind, der in kurzen heftigen Böen und langen, getragenen Brisen wehte und die Wolken vor sich her trieb, der tiefe, furchterregende Trommelwirbel des Donners, das helle Stakkato von Hagel und Blitz. Er dachte daran,
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