Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
Vom Netzwerk:
genommen. Ich suche ihn, mein ganzes Leben schon, und brauche deine Hilfe, um ihn zur Strecke zu bringen. Hilf mir, mein Bruder.«
    Janner rang nach Worten, aber all seine Worte waren nicht da. »Versteh doch …«, hob er schließlich an.
    »Du willst mir nicht zuhören«, sagte der Schatten. »Nun gut.«
    »Es tut mir leid!«, rief er da, und das tat es ihm wirklich. »Es tut mir leid, dass ich nicht für dich da war und dich im Stich ließ. Ich wollte das nie. Ich habe immer gehofft, dass du davongekommen bist und ein glückliches Leben führst, auf einem schönen Stück Land, irgendwo im Strahlenden Reich. Du warst immer wie eine kleine Schwester für mich. Das weißt du doch, oder?«
    »Ich bin deine Schwester.«
    Doch Janner schüttelte den Kopf. »Das hätte niemals passieren dürfen«, sagte er. »Dein Leben hätte deines bleiben sollen, und mein Leben meines. Du solltest nicht hier sein, und ich kann dir nicht helfen, denn wie du siehst, brauche ich selbst dringend Hilfe.«
    »Wie ich schon sagte«, wiederholte der Schatten, und einen Moment glaubte er eine Bewegung vor seiner Tür auszumachen. »April und die anderen werden bald hier sein.«
    Dann spürte er einen leisen Lufthauch, und der Schatten ging, wie der Wind.

STURM AUF DAMOSFELS
Coda
    J emand war vor uns hier«, sagte April und wies Edric die toten Soldaten auf dem Boden der Wachstube. Sie sahen fast friedlich aus, als wären sie sehr schnell gestorben. Vor dem Fenster flackerte das blaue Leuchten des Gewitters, und sie hörten nun auch das Prasseln von Hagelkörnern.
    »Fang«, rief Edric, nahm einem der Soldaten den Schlüsselbund ab und warf ihn ihr zu. Damit rannten sie zu den Zellen und befreiten ein paar bedauernswerte Gestalten, ohne sie eines zweiten Blickes zu würdigen. Schließlich standen sie vor der letzten Zelle.
    »Bist du das, Liebling?«, fragte Janners Stimme von drinnen. »Liebling!«, antwortete sie und schaute kurz durch das kleine Fenster, während sie mit den Schlüsseln hantierte. Auf einmal zitterten ihre Hände so sehr, dass sie eher einen Knoten in den Bund gemacht hätte, als das Schloss aufzukriegen. Dann beherrschte sie sich wieder und öffnete die Tür.
    Der Anblick im Inneren zerriss ihr das Herz. Janner hing an die rückwärtige Wand gekettet. Sein ganzer Oberkörper war eine einzige Masse offener Wunden und schwärender Narben, und er war ausgemergelt und kaum bei Bewusstsein. Es roch erbärmlich.
    »Schnell, bring den Krug mit Wasser aus der Wachstube«, rief sie Edric zu und machte sich daran, Janners Ketten zu lösen. »O Liebling«, murmelte sie, »was haben sie nur mit dir getan!«
    »Ich möchte lieber nicht darüber reden«, lallte Janner. »Und angesichtsmeiner Lage wäre es wohl auch nicht sehr höflich, dich für den Angriff auf diese Burg zu tadeln. Dennoch frage ich dich: Was verdammt hast du dir eigentlich dabei gedacht?«
    »Dasselbe könnte ich dich fragen!«, fuhr sie ihn an, und er kniff erschrocken die Augen zusammen. Dann nestelte sie wieder an seinen Ketten.
    »O Liebling«, flüsterte sie abermals, dann sprangen die Ketten auf, und sie fielen sich in die Arme, was sehr schmerzhaft für ihn war, aber sie taten es dennoch.
    »Wir müssen fliehen«, sagte sie, und er nickte. Edric kam mit dem Wasser, und Janner trank in vollen Zügen. Darauf übergab er sich erst, dann trank er weiter. Flüchtig säuberte sie seine Wunden, doch er zuckte zurück.
    »Dafür ist später noch Zeit«, sagte er. »Wie sieht der Plan aus?«
    »Wir fliegen«, sagte April.
    »Was, wie ein Vogel?«
    »Sarik hat uns einen Vogel aus Stangen und Segeln gebaut«, sagte sie. »Von ihm ist auch das Gewitter.«
    »Ich fragte mich schon, ob es echt ist«, murmelte er.
    »Du hast da was«, meinte April und wies auf seine Nase.
    »Einen Moment.« Er rieb sich die Nase so heftig, als gälte es, Silberbesteck zu polieren, dann zog er sie hoch, spuckte aus und grunzte vernehmlich. »Bitte entschuldige.«
    »Ist schon gut, Liebling.«
    »Verschwinden wir. Hey, Edric.« Sie gaben sich kurz die Hand, dann rannten sie gemeinsam nach draußen.
    Der Wehrgang vor dem Gefängnisturm lag in Trümmern. Nur ein schmaler, von Eiskörnern gespickter Grat war geblieben, über den sie wie die Gämsen klettern mussten, während unter ihnen im Hof blanke Panik herrschte und um sie herum die Elemente verrückt spielten. Der Wind blies mal hierhin, mal dorthin und wechselte abrupt die Richtung, an allen Fahnenmasten knisterte Elmsfeuer, und die dunklen

Weitere Kostenlose Bücher