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Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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wie er diese Musik das erste Mal gehört hatte, vor langer Zeit, am Hof von Iljudis, und er fragte sich, ob die letzten Eolyn noch heute solche Musik komponierten.
    Im Gegensatz zu April stand für ihn nur der Vogel im Vordergrund – das Lied seines Flugs. Das Thema wurde vorgestellt, durchgeführt und fand mit dem Absturz auf der Mauer einen dramatischen Höhepunkt. Es bereitete Sarik einiges Kopfzerbrechen, wie er es am Ende seiner Symphonie wieder aufgreifen sollte, und so umspielte er die Idee erst nur zögerlich und beschäftigte sich in den folgenden Sätzen vornehmlich mit dem Wechselspiel von Feuer und Eis auf den Mauern im Sonnenaufgang, während April zu Janners Rettung eilte. Zum Glück war sie rechtzeitig wieder zurück, als die Stimmung schon zum Zerreißen gespannt war und gelöst werden musste. Er wusste wirklich nicht, was er getan hätte, wenn sie den letzten Satz versäumt hätte.
    Der Vogel schwang sich ein letztes Mal in den Himmel. Eine letzte Salve von Armbrustbolzen wurde fortgespült vom glitzerndenRegen, und die Festung verklang in einer majestätischen Coda, bis wieder allein der Flug durch die Lüfte blieb. Dann endete auch dieser, der Vogel setzte zur Landung an; ein letzter Schlag, und es war vorbei. Glücklich und müde ließ Sarik die Hände sinken.
    April kam erschöpft auf ihn zugetorkelt. Bei sich hatte sie ihren Geliebten und einen der beiden Männer, die mit ihr gestartet waren. Alle sahen reichlich mitgenommen aus. Nun, er hatte Musiker gesehen, denen es nach ihrer Darbietung nicht besser ging. Auch Sarik fühlte sich ausgelaugt wie nach einem langen Fest. Einen Moment stach es ihm ins Herz, dass er diese Musik nie wieder so würde spielen können. Doch dies war kein Moment der Trauer.
    »Ich danke dir«, sagte April und drückte ihn an sich. »Es war ein herrliches Gewitter.«
    »Ein solches Gewitter half der Legende nach dem Helden Thybalt, seine Gemahlin aus der Burg des Drachen Gorogrindh zu befreien«, murmelte Sarik und entzog sich ihrer Umarmung. »Ich hätte nicht gedacht, dass es in der Aufführung so gewinnt. Ich fürchte jedoch, es war das letzte seiner Art.«
    »Ich störe euch nur ungern«, bemerkte Janner. »Aber die Erinnerung an dieses Gewitter wird uns ins Grab begleiten, wenn wir uns nicht bald aus dem Staub machen. Die Armee hat gesehen, wohin wir geflogen sind; und ich werde, denke ich, in nächster Zeit das Bewusstsein verlieren.«
    »Schafft ihr es noch bis zu den Pferden?«, fragte Sarik.
    »Keine Angst«, sagte April zu Janner. »Wir haben einen Wagen in der Nähe.«
    »Mit dir«, grinste Janner und gab April einen blutverschmierten Kuss, »schaffe ich es überallhin. Ich verspreche, in Zukunft werde ich öfter auf dich hören! Wie ist der Plan? Abgesehen von waschen. Wo steckt der Rest der Bande?«
    April und Sarik tauschten kurz Blicke.
    »Das erkläre ich dir später«, sagte sie und packte ihn unterm Arm. Mit dem anderen hakte er sich bei Edric ein. »Jetzt bringen wir dich erst mal hier weg.«

DIE KARSAI UND DER KAISER
    C assiopeia verfolgte das Gewitter, das die Burgmauer in Stücke sprengte, wie sie als junges Mädchen den Lichterfesten in den Gärten Ptaraons zugeschaut hatte: fasziniert von seiner Schönheit, aber teilnahmslos, weil es nicht zu ihrem Leben gehörte. Sie saß als Schatten in einem Winkel des Burghofs, wo sie sicher vor dem Hagel, den Trümmern und den aufgescheuchten Soldaten war, und hätte man sie danach gefragt, dann hätte sie nicht sagen können, wie sie hierhergekommen war oder was sie hier tat.
    Bald würde die Sonne über die Mauern steigen und auch diesen Winkel des Hofs erhellen. Dann würde sie sich entscheiden müssen.
    Sie hatte versagt. Oder nicht? Sie hatte wertvolle Zeit mit der Suche nach Ianus verschwendet, und weil sie das Schwert gerne kampflos in ihren Besitz gebracht hätte. Dabei empfand sie wenig Sympathien für April, die in ihren Augen kaum mehr als ein unberechenbares Kind war. Aber war das genug, um sie zu töten? Ianus’ Gefühle für sie waren eindeutig. War das genug, um sie nicht zu töten? Sie wusste es nicht.
    Die Krähe landete vor ihr auf einer Regentonne. Mittlerweile hatte Cassiopeia gelernt, ihre Mimik, die der Lesardres eigentlich sehr ähnlich war, zu deuten, und sie sah weder Vorwurf noch Verachtung in ihren Augen, bloß Neugierde.
    Sie wusste, die Zeit lief ihnen davon. Noch waren vielleicht einige wenige Wechselbälger übrig, versprengte Kinder wie Odwyn,sich des Spiels, in dem sie die

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