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Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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Cassiopeias Schwert an einem anderen, eben noch gar nicht denkbaren Ort, möglich wurde. Einen winzigen Sekundenbruchteil existierten beide Orte, beide Möglichkeiten, zur selben Zeit – dann erlosch eine von ihnen.
    Schneeklinge war am falschen der beiden Orte.
    Cassiopeias Klinge fuhr herab und trennte Aprils Schwerthand am Gelenk vom Arm.
    Voller Grauen starrte Cassiopeia auf die zuckende Hand vor sich am Boden und das funkelnde, schneeweiße Schwert, das sie noch hielt, und das sich ihr immer noch trotzig entgegenzurecken schien.
    April brach zusammen, mit einem Schrei, der länger in Cassiopeias Ohren nachhallte als irgendein anderer, den sie jemals gehört hatte, bis er im lauten Rauschen ihres eigenen Bluts unterging. Sie sah April nicht an. Sie steckte ihr Schwert in die Scheide, dann bückte sie sich nach Schneeklinge, löste die zierlichen, kreideweißen Finger um das elfenbeinerne Heft, und hob das Schwert, um es sich anzusehen.
    Dabei schnitt sie sich in den Finger, und ein einziger Tropfen ihres Bluts versank in der Klinge, wie ein Tropfen im Meer versinkt.

    Das Licht floh aus blanker Angst, und ohne zu wissen, wohin – es hätte den Grund seiner Furcht ebenso wenig benennen können wie sein Ziel.
    Das Licht bestand aus nichts anderem – es war reines Gefühl, und so drohte die Angst, die es gepackt hielt, es in seinem Wesen zu überwältigen und auszulöschen. Instinktiv wählte es den Weg, der ihm die größte Sicherheit versprach – heraus aus der Welt, hinein die Sphären reiner Magie.
    Und wie es die Art eines Irrlichts ist, fand es seinen Weg ohne Umschweife.
    So kam es, dass das Irrlicht als erstes aller seit so langer Zeit in die cislunare Sphäre verbannten Geschöpfe den Weg nach Navylyn wiederfand. Ehrfürchtig schwebte es einen Gedanken oder zwei vor den berghohen Pforten, die es nur aus Sariks Träumen kannte, und aus den Träumen des Anderen – desjenigen, vor dem es sich, wie es nun erkannte, so fürchtete, und dessentwegen Korianthe das göttliche Unheil über der Welt ausgeschüttet hatte.
    Es war einerlei. Das Irrlicht dachte weder an Götter noch das Schicksal der Welt. Alles, woran es in diesem Moment dachte, war Sarik – und alles, was es fühlte, war der grenzenlose Schmerz des Mädchens, das sie beide doch immer zu beschützen gesucht hatten.
    Die Pforten der Kammern aus Porzellan standen offen – nur einen Spalt.
    Flink wie eine Elritze zischte das Irrlicht hinein.
    Es verging keine Zeit an diesem Ort, aber es schien dem Irrlicht, als ob es sehr lange durch die dunklen Hallen flog, ehe es unter den winzigen, friedlich schimmernden Figuren aller Wesen dieser Welt, die jemals waren oder sein würden, die beiden fand, die ihm in diesem zeitlosen Moment am meisten bedeuteten; und es staunte und verzweifelte fast angesichts all des Leids, das es sah.

    Dougal war der Erste, der ihr entgegentrat.
    Obwohl er Lesardre bis aufs Haar glich, hätte sie all die kleinen Zeichen, die er seiner Erscheinung, vielleicht ihretwegen, mitgegeben hatte, nicht gebraucht: dieselben Stiefel, derselbe Mantel wie damals, als er ihren Vater tötete, selbst der Löwe Leiengards an seinem Gürtel, der sie anzufauchen schien.
    Doch sie erkannte ihn an seinem Lächeln.
    Du hast mich gefunden , sagte dieses Lächeln, und sie war sich nicht sicher, ob sie es tatsächlich hörte oder nur zu hören glaubte. Einen Moment schloss dieses Lächeln alles andere aus, und da waren nur noch er und sie: der unsterbliche Mörder mit dem gestohlenen Gesicht und das Mädchen, das seinetwegen zur Kriegerin geworden war und an seiner statt die Geheimnisse des Schwerts erlernt hatte – von demselben, der ihn einst zurückwies. Sie war die letzte Schwertmagierin dieser Welt, und sie war sein Geschöpf.
    Cassiopeia hob Schneeklinge zum Gruß, und er nickte anerkennend, und auch ein wenig – einsichtig? Sehnsüchtig? Stolz?
    Er hob ebenfalls sein Schwert und erwiderte den Gruß.
    Dann kämpften sie.
    Die magische Waffe zu führen war ein eigenartiges Gefühl – wie das Pferd eines anderen zu reiten, oder einen Schüler auszubilden, der schon alles wusste, aber eine andere Sprache sprach. Sie führte das Schwert ebenso wenig wie umgekehrt. Eher war es, als fände irgendwo in jenem zeitlosen Zustand, den Lesardre sie gelehrt hatte, und in dem nur die Gesetze von Idee und Möglichkeit herrschten, eine geheime Zwiesprache zwischen ihr und Schneeklinge statt, ehe sich das Schwert auf eine Weise verwirklichte, die ihnen beiden

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