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Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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eindringen können. Nur die Wesenheiten konnten das.
    Zaghaft griff er mit seinen Sinnen in die Welt hinaus – und einen Moment war er so überwältigt von dem, was er sah, dass er zu träumen glaubte.
    Wohin er seinen Geist auch sandte, überall traf er auf jenes Medium, das ihm so vertraut wie kein zweites war. Magie strömte in die Welt wie frische Luft durch ein offenes Fenster. Er atmete sie ein, schöpfte sie mit Lungen und Händen, und es war mehr, als er fassen konnte. Ihr Funkeln blendete ihn nach so langer Zeit der Entbehrung, doch sobald er sich daran gewöhnt hatte, sah er klarer denn je.
    Sariks Geist suchte auf dem weiten Ozean aus Licht, und da entdeckte er es, in weiter Ferne: das Leuchtfeuer Navylyns, das so lange erloschen gewesen war; und davor, wie wütende Nachtschwärmer, die Wesenheiten, die es umkreisten.
    Er suchte weiter, nach anderen Suchfahrern wie ihm, irgendwo auf der Welt – und er fand, dass mit der Zerstörung des letzten Ordens kaum eine Handvoll der stolzen Wesen, die sich einst die Mächtigen genannt hatten, geblieben war, und keiner von ihnen war in diesem Moment wach oder hier. Er war allein auf dem Ozean, und für einen Moment fühlte er sich sehr einsam.
    Dann erregte ein Wirbel großer Macht über ihm seine Aufmerksamkeit; er bildete sich genau dort, wo die Sphären aufeinandertrafen und Wetterleuchten die Wolken erhellte. Er wuchs stetig an, und in seinem Inneren flackerte ein Feuer, dunkel und strahlend zugleich wie im Inneren einer Kerze.
    Erst fürchtete Sarik, dass die Wesenheiten vielleicht einen weiteren Angriff vorbereiteten – dann erkannte er seinen Irrtum.
    Eine Stimme sprach zu ihm aus dem Zentrum des strahlenden Dunkels.
    SARIK, sagte sie. DU BIST HIER
    Er zuckte zusammen, denn so allgewaltig und majestätisch die Stimme auch klang, er erkannte sie. Das letzte Mal hatte er sie in einer Halle blinder Spiegel gehört. Damals hatte sie gesagt, er solle Vertrauen haben.
    Er sah ihn vor sich, wie er lächelte und dann in die Leere hinaustrat.
    Was Korianthe prophezeit hatte, war eingetreten.
    »Zearis!« Er sprach laut, um nicht den Verstand zu verlieren.
    NICHT ZEARIS, hallte es durch seinen Kopf.
    Er dachte an seine Wiederkehr, und an den Krieg, den die Mächtigen gegen ihn führten, während Zeona und er sich versteckt hielten, sie aus Angst, er aus Schuld.
    »Neseja …«
    NESEJA WURDE ZWEIMAL GEBOREN UND ZWEIMAL GE-MORDET. ZWEIMAL BIN ICH NUN WIEDERGEKEHRT
    Einen kurzen Moment war alles wie damals, als wären all die Jahrhunderte niemals vergangen. Die Welt war jung und voller Möglichkeiten, und er nur ein unerfahrener Zauberer, reich an Begabung, doch ohne Vernunft.
    »Es tut mir leid. Glaub mir, könnte ich es ungeschehen machen – meinen Fehler damals im Palast der Spiegel –«
    Doch die Stimme war nicht an seinen Beteuerungen interessiert.
    ICH BIN INS ZENTRUM DER LEERE GEREIST. ICH HABE DIE DUNKELHEIT HINTER DEN STERNEN GESCHAUT
    »Ich würde es ungeschehen machen!«, rief Sarik. »Um nicht zum Verräter an dir zu werden – meinen Freund nicht derselben Machtgier zu opfern, die schon Lyora Anan das Leben kostete, und so viele nach ihr.«
    EIN LEBEN IST OHNE BELANG – ICH HABE ZEHNTAUSEND LEBEN GELEBT
    Die Wechselbälger, dachte Sarik. Es überstieg jede Vorstellungskraft: Nesejas Innerstes, zehntausendfach gespalten, jahrhundertelang über die Welt verstreut; zehntausend Seelen, die nicht Tod noch Mitleid kannten und niemals in ihrem Leben erfuhren, wer oder was sie eigentlich waren, während die Welt um sie nichtsahnend in Schlaf fiel.
    Sarik bewunderte und verabscheute seinen Freund für das, was er vollbracht hatte.
    »Zeona hatte recht«, sagte er schließlich. »Du hast aufgehört, zu lieben, und es hat dich verschlungen. Du hast die Leere und den Zorn der Wesenheiten überlebt, doch den wichtigsten Teil deiner selbst hast du verloren. Was ist nur aus dir geworden? Du bist nicht mehr der Freund, den ich einst kannte.«
    LIEBE UND FREUNDSCHAFT SIND OHNE BELANG
    »Auch ich habe das einmal geglaubt«, sagte Sarik. »Doch wozu hat es geführt? Sieh dir an, was du getan hast – was aus uns geworden ist! Du hast ein großes Dunkel über die Welt gebracht.«
    DAS DUNKEL, IN DEM IHR LEBT, IST EUER EIGENES, widersprach die Stimme. DIE WESENHEITEN HABEN EUCH IHR LICHT VORENTHALTEN, UND IHR WART DAMIT ZUFRIE-DEN – IHR LEBT IM GLANZ EINER FALSCHEN SONNE
    Sarik spürte, wie die Stimme über ihm anschwoll, zu strahlen begann und sich anschickte,

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