Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)
in den Kammern aus Porzellan erzitterten.
Wirst du mir helfen?
Dir helfen?
Ich habe Angst vor dem, was sie tun werden, wenn sie hier eindringen . Nicht nur mit uns – sondern allen. Verstehst du? Sie empfanden nie Liebe für diese Welt.
Sie sind nicht alleine dort draußen, nicht wahr?
Nein , dachte das Irrlicht. Das sind sie nicht – der Andere ist mir auch gefolgt.
Er ist das Dunkel.
Vor den Toren des Schicksals tobte ein furchtbarer Kampf.
Und das Dunkel sprach zum Licht: Lass mich ein! Du bist wie ich. Vereine dich mit mir!
Nein , sagte das Licht.
»Sarik«, sagte April und schüttelte ihn. »Sie kommen zurück!«
Sarik schlug die Augen auf und versuchte sich zu orientieren. Einen Moment war ihm schwindlig. Dann erhob er sich und klopfte sich den Staub vom Umhang, während die Wesenheiten ihre feurig goldenen Schweife über den Himmel zogen.
»Ich werde dir helfen«, murmelte er und holte tief Luft. Dann hob er die Arme und befahl den Wolken, wie er es immer getan hatte.
Er legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, dachte an seinen Traum von dem Dorf, dem er Regen brachte, doch diesmal war es kein Lachen, das sich in seiner Kehle Bahn brach, und die Feuchtigkeit auf seinem Gesicht war eine andere.
Wo bist du?, rief er das Irrlicht.
Bei dir , antwortete es. Wo ich immer bin. Und er spürte, wie das Irrlicht irgendwo dort draußen ihm half. Sie waren eins in diesen Sekunden; und mit der geballten Macht Navylyns im Rücken war es Sarik, als könnte er Welten bewegen.
Die dunkle Decke über der Welt begann sich wieder zu schließen, und der Spalt dahinter mit ihr. Die Wolken flackerten wie im Todeskampf.
Die Wesenheiten merkten, was er tat, doch sie kamen zu spät. Ein Wind erhob sich und fegte ihre goldenen Funken vom Himmel. Einige verharrten noch einen Moment wie Glühwürmchen, ehe sie die Gefahr erkannten und abdrehten. Sie flohen – und was immer von Neseja geblieben war, nahmen sie mit sich.
Das Licht hinter den Wolken erlosch.
Der Wind aber steigerte sich zu einem Sturm, der sie alle in die Weite des Himmels zu entreißen drohte. Sarik stand mit gespreizten Beinen auf dem Hügel, Tränen auf dem Gesicht. April klammerte sich an einen der Steine.
Dann war es vollbracht: Der Spalt schloss sich, das letzte Wetterleuchten verglomm und Dunkelheit senkte sich auf sie herab. Nichts war von dem überirdischen Schauspiel geblieben.
Sarik sank auf die Knie.
Die Wesenheiten hatten diese Sphäre verlassen – und mit ihnen war auch die Magie gegangen, die für viel zu kurze Zeit wiedergekehrt war; ein flüchtiger Traum. Die Pforten zu den höheren Sphären waren geschlossen, und alles bot sich Sarik wieder so dar, wie er es nie mehr hatte sehen wollen.
»Was habe ich nur getan«, flüsterte er.
Im Geiste rief er nach dem Irrlicht, doch die Hallen von Navylyn schwiegen.
DIE BEFREIUNG DES NORDENS
D ie Gesichter der Männer und Frauen waren verbittert und unbeirrt, als sie in die Ebene ritten. Es waren etwas über viertausend: Menschen, Fealva, auch Alte und halbe Kinder waren dabei. Die wenigsten trugen eine Rüstung, und viele waren nur mit selbstgeschnitzten Spießen und Hacken bewaffnet. Der Schlafmangel war ihnen anzusehen, und die wenigen Pferde waren nassgeschwitzt und ausgezehrt. Für gewöhnlich hätte ein General angesichts einer solchen Armee den Kampf abgeblasen. Doch dies war kein gewöhnlicher Kampf. Jeder Einzelne, der da auf dem nördlichen Kamm Position bezog, war fest entschlossen, weiterzumachen und erst aufzugeben, wenn sich seine Hoffnung auf eine neue Welt zerschlagen oder erfüllt hatte. Weder Müdigkeit noch Schmerzen, und auch nicht die unheimlichen Wettererscheinungen der letzten Stunden, konnten ihnen diese Hoffnung nehmen.
Der Plan hatte vorgesehen, dass Janner und seine Reiterstaffel als Erste zuschlugen. Sie sollten die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und das imperiale Lager in weitem Bogen von Osten angreifen, mit den Hügeln, wo sich der Steinkreis und der Geheimgang zum Orden befanden, als Rückzugspunkt. Die Fußtruppen wurden von dem abtrünnigen pherenidischen General Atior und dem Sohn des letzten Präfekten von Tered Nimley angeführt. Sie sollten im Schutz des Ordens vorrücken und dann mit kurzer Verzögerung von Norden und Westen her angreifen. Auf diese Weise wollten sie die kaiserliche Armee zwischen sich aufreiben und ihr keinen anderen Rückzugsweg als zum Meer offen lassen, wo dieersten Späher zur Stunde schon auf der Suche nach ihren
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