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Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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sowieso fragen, warum haben wir keinen Pilger auf dem Weg zu Buddhas Spiegel gesehen?«
    »Kulturrevolution.«
    Kulturrevolution, Kulturrevolution. Die Antwort auf jede Frage. Warum ist die Banane krumm? Kulturrevolution.
    »Es war sehr gefährlich, religiös zu sein«, sagte sie, »deswegen konnten die Leute nicht so oft zum Emei reisen. Ein paar Klöster am Fuß des Berges wurden von den Roten Garden zerstört. Sehr traurig.«
    »Ich mache dich langsamer.«
    Sie hielt an.
    »Du machst mich langsamer, wenn du mich zum Reden bringst. Mein Singen störst. Mit dem Singen bist du leicht. Ohne bist du schwer. Wir müssen weit gehen, und es wird bald dunkel. Also sei still. Bitte.«
    Er ließ sich auf ihren Rücken sinken. Bald wurde der Himmel golden, dann orange, dann rot, tauchte den Berg in ein fast surreales Glühen. Die Kilometer vergingen mit der Litanei des yi, ar, Schmerz, Schmerz.
    Als der Himmel schwarz wurde, trug Li Neal durch die Tore eines Klosters. Neal erkannte die Statue von Kuan Yin, Göttin der Gnade, bevor Li erschöpft zusammenbrach. 
     
    Später in der Nacht lag Neal auf seinem kang. Die Mönche hatten seinen Brustkorb mit Tüchern umwickelt, die in Kräutern gekocht waren. Sie hatten ihm eine heiße Flüssigkeit, die den Schmerz linderte, eingeflößt. Dann hatten sie ein weitmaschiges Netz über das Bett gespannt und ihn allein gelassen, damit er sich erholte.
    Wofür ist das Netz? überlegte Neal. Wir müssen mindestens 2700 Meter hoch sein, viel höher als Mücken. Außerdem war das Netz zu grobmaschig, um irgend etwas außer einem mutierten Riesenmoskito auszusperren. Wozu war es gut? Ein paar Sekunden später wußte er die Antwort, als er die Füßchen auf dem Boden scharren hörte. Er sah hinunter und mindestens acht paar roter Augen starrten ihn an.
    Ratten.
    Sie waren überall, kratzten an seinen Schuhen, schnüffelten an dem kang auf der Suche nach Nahrung. Neal kuschelte sich in seine Kleider, versuchte, sich so gut zuzudecken wie möglich. Er schloß die Augen und versuchte zu schlafen, aber die Vorstellung einer Ratte, die an seinem Fuß knabberte, hielt ihn wach. In diesem Augenblick rannte eine Ratte quer über das Netz, direkt über Neals Brust. Neal richtete sich auf und schrie. In seiner Brust explodierte ein Feuerball, Neal fiel wieder in Rückenlage. Es war vielleicht nur Einbildung, aber er glaubte, daß ihn eine Ratte angrinste. Die Ratten schnatterten eifrig. Neal nahm an, daß der Anführer seinen Kumpeln erzählte, daß sie ein hilfloses Opfer gefunden hatten.
    Bloß gut, daß es keine Wölfe oder Tiger mehr auf diesem verdammten Berg gibt – oder? Er stellte sich Tiger und Wölfe vor, die sich müde, Treppe um Treppe, Biegung um Biegung hochschleppten. Zumindest würden sie die Ratten verscheuchen. Mit dieser angenehmen Phantasie döste er schließlich ein.
    Er schrie, als er die kleinen Klauen an seiner Brust spürte.
    »Ich bin es nur«, sagte Li Lan, als sie zu ihm ins Bett stieg.
    »Laß keine Ratten rein.«
    Sie kuschelte sich vorsichtig an ihn.
    Nach einigen Augenblicken sagte sie: »Der Aufstieg morgen ist schwierig und gefährlich. Du kannst nicht gehen, denke ich.«
    »Ich muß Pendleton sehen.«
    Sie dachte einen Augenblick nach.
    »Ich kann ihn in zwei Tagen hierher bringen.«
    »Wir haben keine zwei Tage, Lan. Morgen früh erwischen sie mich.«
    Als Li ruhig lag, kamen die Ratten wieder. Neal hörte ihre Füße auf dem Holzboden.
    »Stören die Ratten dich nicht?«
    »Deswegen benutzen wir die Netze.«
    »Warum keine Fallen?«
    »Töten ist falsch.«
    Töten ist falsch. Neal versuchte, zu zählen, wie viele Leute getötet worden waren, um Pendleton auf den Gipfel dieses Berges zu bringen. Waren es wirklich nur zwei gewesen? Der Türmann und Lederjunge eins? Nur zwei? Was denke ich da? Zwei sind genug. Mehr als genug. Und wir sind noch nicht fertig.
    »Wir müssen gehen, sobald es dämmert«, sagte Li.
    Gut, dachte Neal. Sie hat akzeptiert, daß ich mit ihr gehe.
    »Klar«, sagte er.
    »Schlaf jetzt.«
    »Okay.«
    Sie streichelte seine Brust. »Ich würde gern mehr tun als schlafen, aber du bist verwundet.«
    »Also, vielleicht, wenn du wirklich sanft mit mir bist…«
    »Oh, ich kann sehr sanft sein.«
    Sie war, dachte Neal später, außerordentlich sanft gewesen.
    »Li Lan«, sagte er, »wenn wir von dem Berg hinunterkommen… auf der anderen Seite… gehst du mit mir?«
    Sie brauchte lange, um zu antworten.
    »Morgen«, sagte sie, Aufregung in der Stimme,

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