Das Licht Von Atlantis
wirklich gern auf mich nehmen. Domaris, mein kleines Mädchen, ist wie mein eigenes Kind, Karahama, lass mich zu meinem Töchterchen gehen -«
»Gute Mutter, du darfst nicht gehen«, erwiderte die Hohepriesterin scharf. »Unsere Göttin darf nicht beleidigt werden! Sollen etwa ihre Priesterinnen sich der Unreinen annehmen? Das würde unsern Tempel schänden. Bitte, Elara, verlasse uns! Wenn deine Herrin Hilfe braucht, gehe zu den Heilern - aber bitte keine Frau darum! Und - merke dir, Elara - halte dich von ihr fern! Wenn deinem Kind etwas geschieht, werde ich wissen, dass du ungehorsam gewesen bist, und dann trifft dich die Strafe für das Verbrechen der Abtreibung!« Karahama wies sie mit einer verachtungsvollen Geste hinaus, und Elara zog sich laut schluchzend zurück. Mutter Ysouda öffnete den Mund zu einem zornigen Protest - und schluckte ihn hilflos hinunter. Karahama hatte sich nämlich genau an den Buchstaben des Gesetzes von Caratras Tempel gehalten.
Das Gesicht Karahamas verzog sich erneut zu einem feinen Lächeln.
5. DAS ENDE EINER NAMENLOSEN
Gegen Sonnenuntergang suchte Rajasta schwer beunruhigt Cadamiris Wohnung auf.
»Mein Bruder, du bist ein Heiler-Priester - der einzige hier, der kein Graumantel ist.« Er setzte nicht hinzu: der einzige, dem ich zu vertrauen wage , denn das verstand sich zwischen den beiden von selbst. »Fürchtest du dich, vom Bösen angesteckt zu werden?«
Cadamiri begriff auch das ohne Erklärung. »Bei Domaris? Nein, davor fürchte ich mich nicht.« Er sah in Rajastas erschöpftes Gesicht und erkundigte sich: »Konnte denn keine Priesterin gefunden werden, die das Risiko auf sich nimmt?«
»Nein.« Mehr sagte Rajasta nicht.
Cadamiri kniff die Augen zusammen, und sein ohnehin schon finsteres Gesicht war noch grimmiger als sonst. »Sollte Domaris sterben, weil sie keine ärztliche Betreuung erhalten hat, würde die Schande unseres Tempels noch das Karma überleben, das aus einem Bruch des Gesetzes entstehen mag!«
Rajasta betrachtete seinen Wächter-Kollegen eine Weile schweigend, bevor er ihm mitteilte: »Domaris' Dienerin hat zwei von Rivedas Heilern geholt, aber -« Rajasta sprach die Bitte nicht aus.
Cadamiri nickte. Er suchte bereits nach dem kleinen Kasten, der das Zubehör für seine Tätigkeit enthielt. »Ich werde zu ihr gehen«, erklärte er bescheiden. Dann setzte er langsam und vorsichtig hinzu: »Erwarte nicht zuviel von mir, Rajasta! Wie du weißt, werden Männer in diesen Künsten nicht unterrichtet. Ich habe wirklich nur einen leisen Schimmer von den Geheimnissen, die die Priesterinnen für solche Notfälle hüten, aber ich will tun, was ich kann.« Er machte ein sorgenvolles Gesicht, denn er hegte für seine junge Verwandte eine Art leidenschaftsloser Zuneigung, wie sie ein durch Gelübde gebundener Asket manchmal für eine Frau von reiner Schönheit empfinden kann.
Schnell durchschritten sie die Flure des Gebäudes. Für den Fall, dass es Schwierigkeiten gab, nahmen sie drei kräftige Priester niederen Ranges mit sich. Schweigend eilten sie den Pfad entlang, der zu Domaris' Haus führte, und trennten sich an der Tür.
Rajasta hatte sich bereits bei einer anderen Verabredung verspätet, und trotzdem stand er immer noch da, als Cadamiri schon längst im Innern des Hauses verschwunden war...
Domaris lag wie leblos in ihrem Zimmer, zu schwach, um sich zu wehren. Kleider und Bettzeug waren mit Blut befleckt. Zu beiden Seiten des Bettes stand je ein Graumantel. Sonst befand sich niemand im Raum, nicht einmal, um den Anstand zu wahren, eine Sklavin. Später erfuhr Cadamiri, dass Elara fast den ganzen Tag lang mit hartnäckiger Entschlossenheit bei ihrer Cousine geblieben war. Sie hatte die ihr mitgeteilten Drohungen Karahamas missachtet und ihr Bestes getan, so wenig das auch war. Aber durch ihr autoritäres Auftreten war es den Graumänteln schließlich gelungen, ihr klarzumachen, dass es besser für Domaris wäre, wenn Elis sie ihnen ganz überließ.
Als der Wächter eintrat, drehte sich einer der Graumäntel um. »Cadamiri, ich fürchte, du kommst zu spät«, sagte er.
Cadamiri erstarrte das Blut in den Adern. Diese Männer waren keine Heiler und waren es auch noch nie gewesen, sondern Magier - Nadastor und sein Schüler Har-Maen. Er biss die Zähne zusammen, um sich keine Worte des Zorns entschlüpfen zu lassen, und trat an das Bett. Nach einer kurzen Untersuchung richtete er sich empört auf. »Ihr Schlächter!« donnerte er. »Wenn diese Frau stirbt,
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