Das Licht Von Atlantis
deine Schwester«, sagte Maleina mit sanfter Autorität und beruhigte sie, indem sie eine Hand auf das Empfindungszentrum der Stirn-Chakra legte. Gleich darauf teilte sie Cadamiri mit:
»Ihre Seele ist wieder in ihr. Glaube mir, ich tue nichts anderes als das, was notwendig ist, aber sie wird sich gegen mich wehren - du musst mir helfen, auch wenn es dir grausam vorkommt.«
Domaris, die keine Kontrolle mehr über sich hatte, bäumte sich in nacktem, animalischem Selbsterhaltungstrieb schreiend auf, sobald Maleina sie berührte. Die Adeptin winkte, und Cadamiri hielt die um sich schlagende Frau mit seinem ganzen Gewicht fest. Dann kam ein konvulsivischer Aufschrei aus Domaris' Kehle; Cadamiri fühlte, dass sie unter seinen Händen alle Kräfte verließen und sie in eine gnädige Ohnmacht sank.
Maleina, der Entsetzen im Gesicht geschrieben stand, nahm ein Laken und wickelte es um das schrecklich verstümmelte leblose Etwas, das sie in den Armen hielt. Cadamiri schüttelte sich, und Maleina wandte sich ihm mit düsterem Blick zu.
»Glaube mir, ich habe es nicht getötet. Ich befreite sie nur von schrecklicher -«
»Du hast sie vor dem sicheren Tod bewahrt«, erwiderte Cadamiri schwach. »Ich weiß; selbst hätte ich es nicht - gewagt.«
»Ich habe es für einen weniger würdigen Zweck gelernt«, bemerkte Maleina. Mit nassen Augen sah die alte Frau auf die bewusstlose Domaris nieder.
Sie bückte sich, legte die Glieder der jungen Frau behutsam zurecht und zog eine frische Decke über sie.
»Sie wird am Leben bleiben«, sagte Maleina. Sie verhüllte das tote, entstellte Kind. »Sag niemandem auch nur mit einem Wort, wer es getan hat.«
Cadamiri erschauerte. »Ich verspreche es.«
Ohne einen Schritt zu tun, verschwand sie; nur ein Sonnenstrahl zitterte da, wo die Adeptin noch vor einem Augenblick gestanden hatte. Cadamiri hielt sich am Fußende des Bettes fest. Er fürchtete, trotz all seiner Selbstdisziplin in Ohnmacht zu fallen. Schließlich erlangte er die Fassung zurück und machte sich auf, Rajasta die Nachricht zu bringen, dass Domaris überlebt hatte, Arvaths Kind aber gestorben war.
Man hatte Demira erlaubt, Deoris' Zeugenaussage zuzuhören, die ihr teils unter Hypnose, teils mit der Drohung, ihr Schweigen werde auf Jahrhunderte karmische Wirkungen hervorrufen, abgerungen worden war. Riveda hatte alle Fragen beantwortet, wahrheitsgemäß, aber voller Verachtung. Die anderen hatten Zuflucht zu sinnlosen Lügen genommen.
Demira bewahrte so lange eine erstaunliche Ruhe, bis sie erfuhr, wer ihr Kind gezeugt hatte. »Nein! Nein, nein, nein...« schrie sie dazwischen.
»Ruhe!« befahl Ragamon mit einem durchbohrenden Blick auf das tobende Kind. Feierlich erklärte er: »Dieser Aussage ist kein Gewicht beizulegen. Ich finde weder Aufzeichnungen über die Eltern dieses Kindes, noch gibt es einen anderen Grund als Gerüchte zu der Annahme, dass sie irgendeines Mannes Tochter ist. Wir brauchen keine Anklage auf Inzest -«
Maleina nahm Demira in die Arme, drückte den blonden Kopf an ihre Schulter und hielt das Mädchen mit schmerzlicher, beschützender Liebe fest. Der Ausdruck auf dem Gesicht der Frau hätte der eines trauernden Engels - oder eines Rachedämons sein können.
Sie richtete den Blick auf Riveda, und die Augen in ihrem dunklen, hageren Gesicht loderten. Ihre Stimme klang, als dringe sie aus einem Grabgewölbe. »Riveda! Wären die Götter gerecht gewesen, ständest du an der Stelle dieses Kindes...«
Demira riss sich wie wahnsinnig von Maleina los und rannte schreiend aus der Halle des Gerichts.
Den ganzen Tag suchte man nach ihr. Karahama fand sie gegen Abend im innersten Heiligtum des Tempels der Mutter. Demira hatte sich an einem der Querbalken erhängt. Ein blauer Brautgürtel schlang sich um ihren Hals, ihr erst wenig durch die Schwangerschaft veränderter Körper baumelte grässlich hin und her, ein Vorwurf für die Göttin, die sie verstoßen, für die Mutter, die sie verleugnet, und den Tempel, der ihr von Anfang an das Recht auf Leben verweigert hatte...
6. DER BECHER DES TODES
Nichts hörte sie in der Stille... als das Pochen ihres Herzens... und das Tropfen von Wasser, das langsam aus dem Fels auf den feuchten Steinboden fiel. Deoris schlich sich durch die Finsternis und rief flüsternd: » Riveda! « Das Gewölbe warf den Namen in seltsam hallenden Echos zurück: » Riveda veda veda eda da…«
Deoris erschauerte; ihre Blicke irrten angstvoll in der Schwärze umher. Wohin
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