Das Licht Von Atlantis
Arvath habe es verboten. Als Deoris wieder bei klarem Bewusstsein war, erfuhr sie von Elis, dass Domaris schwanger war und es ihr gar nicht gut ging. Schon eine Ansteckung mit diesem verhältnismäßig harmlosen Fieber hätte ihr gefährlich werden können. Deoris drehte das Gesicht zur Wand und sprach den ganzen Tag über kein Wort. Danach fragte sie nie mehr nach ihrer Schwester.
Arvath selbst kam oft bei ihr vorbei; er brachte ihr Geschenke und liebevolle Botschaften von Domaris. Chedan stattete ihr fast jeden Tag einen kurzen Besuch ab, benahm sich dabei aber schüchtern und blieb recht wortkarg. Einmal kam Rajasta mit köstlichem Obst, das ihr den verlorenen Appetit wiedergeben sollte. Er war des Lobes voll über ihre Arbeit während der Epidemie.
Als ihr Gedächtnis wieder normal funktionierte und sich die Erinnerung an Rivedas merkwürdiges Benehmen aus ihren bizarren Fieberträumen löste, erkundigte sie sich nach dem Adepten der Graumäntel. Man sagte ihr, Riveda sei auf eine weite Reise gegangen. Deoris glaubte jedoch, man belüge sie und er sei in Wirklichkeit an der Seuche gestorben. Sie empfand keinen Kummer; die lange Krankheit und die noch längere Genesungszeit hatten sie so sehr beansprucht, dass sie irgendwelcher Gefühle gar nicht fähig war, und so lebte sie einen Tag nach dem anderen, ohne sich besonders für Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft zu interessieren.
Es dauerte viele Wochen, bis sie das Bett verlassen durfte, und Monate, bis sie in den Gärten spazieren gehen konnte. Als sie sich schließlich weitgehend erholt hatte, kehrte sie zu ihrer Arbeit in den Tempel Caratras zurück. Aber sie merkte bald, dass ihr alle nur leichte und sinnlose Aufgaben übertrugen, um ihre gerade erst wiederkehrenden Kräfte nicht zu überfordern. Viel Zeit widmete sie dem Studium; sie hörte die Vorlesungen für die Heiler-Lehrlinge an, obwohl sie an ihrer praktischen Arbeit nicht teilnehmen konnte. Oft stahl sie sich in eine Ecke der Bibliothek und lauschte von fern den Diskussionen der Priester des Lichts. Als Priesterin Adsartha stand ihr jetzt auch ein eigener Skriptor zu. Es wurde im Tempel als zweckmäßig angesehen, zuzuhören statt zu lesen, da man der Meinung war, das Gehör könne sich besser konzentrieren als das Gesicht.
Am Vorabend ihres sechzehnten Geburtstages schickte eine Priesterin Deoris auf einen Hügel am Rand des Sternenfeldes Heilkräuter sammeln. Der lange Weg hatte sie angestrengt, und sie setzte sich für einen Augenblick hin, um auszuruhen, bevor sie mit dem Sammeln begann. Plötzlich entdeckte sie den Adepten Riveda, der über den sonnenbeschienenen Pfad auf sie zukam. Zuerst starrte sie ihn nur ungläubig an. Sie war von seinem Tod so fest überzeugt gewesen, dass sie glaubte, sie sehe nicht ihn, sondern seinen Geist... Dann aber merkte sie, dass es doch keine Halluzination war. Sie schrie auf und rannte ihm entgegen.
Riveda sah sie und breitete die Arme aus. »Deoris!« Er legte ihr die Hände auf die Schultern. »Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht! Man sagte mir, du seiest gefährlich krank gewesen. Hast du dich wieder ganz erholt?« Ihr Aussehen schien ihn zufriedenzustellen.
»Ich - ich dachte, du seiest tot -«
Sein Lächeln war freundlicher als gewöhnlich. »Nein, wie du siehst, bin ich sehr lebendig. Ich war fort, auf einer Reise nach Atlantis. Vielleicht werde ich dir eines Tages davon erzählen... Ich habe dich vor meiner Abreise besucht, aber du warst zu krank, um mich zu erkennen. Was machst du hier?«
»Ich sammle Shaing -Blüten.«
Riveda schnaubte. »Oh, da wird deine Begabung ja höchst sinnvoll eingesetzt! Doch jetzt, wo ich wieder da bin, kann ich vielleicht eine passendere Arbeit für dich finden. Im Augenblick bin ich leider beschäftigt und muss dich zu deinen Blüten zurückkehren lassen.« Wieder lächelte er. »Eine so wichtige Aufgabe darf nicht von einem einfachen Adepten unterbrochen werden!«
Deoris lachte fröhlich. Impulsiv bückte Riveda sich, küsste sie sanft und ging weiter. Er wusste sich diesen Kuss selbst nicht zu erklären - impulsive Handlungen waren sonst nicht seine Art. Während er zum Tempel eilte, dachte Riveda voller Sorge an die Müdigkeit in den Augen des Mädchens. Deoris war in den Monaten ihrer Krankheit noch gewachsen. Sehr groß würde sie allerdings nie werden. Sie war zart und schmächtig und von ätherischer Schönheit, auch war sie kein Kind mehr, aber auch noch keine Frau. Riveda fragte sich - und er
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