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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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kurzerhand und schickte sich an, aus der Sänfte zu steigen.
    »Was tun?«, rief Gumpo entsetzt. »Nicht kommen heraus! Zu gefährlich!«
    »Wie ich schon sagte - ich fürchte mich nicht vor einem Mig-shaar«, bekräftigte Lemont und wartete, bis der Bothia die kleine Holzleiter angelegt hatte, damit er bequem vom hohen Rücken des Reittiers heruntersteigen konnte.
    Die Karawane befand sich auf einer der Passhöhen, die die Straße auf dem Weg nach Norden überwand. Zu beiden Seiten türmten sich die Berge, als würden sie das Ende der Welt markieren, rechts die Steinmassen des Gurla Mandhata, die schwindelerregende 24 000 Fuß hoch in den grauen Himmel ragten. Die Senke dazwischen war karg, die steinigen Hänge trotz der Jahreszeit noch schneebedeckt, und die Straße, die dazwischen verlief, war wenig mehr als ein braunes, von Hufen zerstampftes Band, in dem sich der Morast des Bodens und der Kot der Tiere mischten. Es kostete Lemont einige Überwindung, den Fuß hineinzusetzen, und das Schmatzen, das seine Stiefel bei jedem Schritt verursachten, rief seinen Ekel hervor.
    Die Mundwinkel angewidert herabgezogen, forderte er Gumpo auf, ihn zu Nygal zu bringen, jenem Träger, der von sich behauptete, einen Einäugigen gesehen zu haben. Vielleicht, so dachte er, war es an der Zeit, den Primitiven eine Lektion zu erteilen.
    Vorn an der Spitze des Zuges marschierten nur der sirdar und die erfahrensten Treiber, die eine Art Vorhut bildeten; es folgten die Yaks mit den Sänften und dem Küchenwagen sowie dem schweren Gepäck. Danach kamen die Diener und die restlichen Treiber, deren Bergponys und Maulesel das Gepäck und die Vorräte transportierten. Je weiter hinten man in der Karawane ritt, desto schlimmer war der Gestank. Dennoch hatte sich Lemont für die hinterste Sänfte entschieden. Zum einen, weil er es nicht schätzte, in vorderster Reihe zu stehen, wo man den Unwägbarkeiten, die über die Karawane hereinbrechen konnten, ohne Vorwarnung ausgeliefert war; zum anderen, weil es ihm lieber war, seine Geschäftspartner vor sich zu wissen als in seinem Rücken.
    Natürlich hatten sie ihm ihr Wort gegeben, natürlich waren sie durch Verträge gebunden, und natürlich fürchteten sie ihn. Aber er misstraute ihnen trotzdem.
    Der Spanier, der Engländer und der Russe hatten, alarmiert durch das Geschrei der Treiber, ihre Sänften ebenfalls verlassen. Der Deutsche und der Italiener hatten es vorgezogen, in ihren Sänften zu bleiben. Gleichwohl hatten sie die Vorhänge zurückgeschlagen und die Köpfe herausgestreckt, und die Zornesröte, die das tropenbehelmte Gesicht des Deutschen färbte, ließ erkennen, dass er sich schrecklich echauffierte. »Zum Donnerwetter«, brüllte er, »das darf doch nicht wahr sein! Was bilden sich diese dummen Bauern eigentlich ein?«
    »Sie haben Angst, Monsieur l'Allemagne«, erklärte Lemont mit einiger Gleichgültigkeit.
    »Wovor?«
    »Vor geheimnisvollen einäugigen Wesen, die sie gesehen haben wollen.«
    »Einäugige Wesen? Sie meinen, wie in den Geschichten, die Sie den Anhängern Ihrer eigentümlichen Philosophie erzählen?«
    »Ganz recht, Monsieur l'Allemagne, aber das sind keine Geschichten. Es ist die Wahrheit über die Entstehung unserer Kultur. Warum sonst wohl wären wir hier?«
    »Gewiss nicht, weil ich solchen Blödsinn glaube«, konterte der Deutsche, »sondern weil wir beide ein Geschäft zu beiderseitigem Vorteil abgeschlossen haben. Und ich werde mir dieses Geschäft nicht von ein paar hergelaufenen Eingeborenen verderben lassen.«
    »Keine Sorge«, versicherte Lemont, »das habe auch ich nicht vor.« Mit einem überlegenen Lächeln wandte er sich ab und den Trägern zu. Gumpo brachte den Mann, der auf den Namen Nygal hörte: ein junger Kerl von noch nicht einmal zwanzig Jahren, dessen Gesichtszüge ausgemergelt waren und dessen Blick von Furcht getrieben war.
    »Du bist Nygal?«, erkundigte sich Lemont.
    Der Träger nickte.
    »Du behauptest, du hättest etwas gesehen ...«
    Nachdem Gumpo übersetzt hatte, sprudelte ein ganzer Schwall an Worten aus dem Träger hervor, aus denen Lemont immer wieder das eine heraushörte: Mig-shár.
    »Nygal sagt, dass Gestalt gesehen mit nur einem Auge, und er sicher, dass Mig-shár gewesen. Gestern in Schlucht und heute Morgen am Hohlweg.«
    »Wie hat er ausgesehen?«
    Gumpo übersetzte die Frage auf tibetisch, und erneut antwortete der Treiber bereitwillig und mit furchtsam gesenktem Blick.
    »Nygal sagt, er wäre bekleidet gewesen wie ein

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