Das Licht von Shambala
echter Bothia, mit bukoo aus grauer Wolle. Dazu trug er das zor-ba, das Sichelschwert ...«
»Ich verstehe.« Lemont nickte.
Unaufgefordert fügte Nygal noch einige Worte hinzu, die Gumpo nur zögernd übersetzte. »Nygals Vater sein pundit 36 in seinem Dorf und haben ihm viel von Mig-shár erzählt. Sagen, dass Ende gekommen, wenn Krieger mit nur einem Auge kehren zurück. Daher Treiber nicht wollen weitergehen. Keiner will weitergehen«, fügte er kleinlaut hinzu. »Auch Gumpo nicht. Nicht gut, Zorn der Götter herausfordern.«
»Keiner will weitergehen?« Der Engländer, der Lemont gefolgt war und nun breitbeinig und mit in die Hüften gestemmten Armen neben ihm stand, sog scharf die Luft ein. »Was will das feige Pack denn tun? Uns einfach hier sitzen lassen?«
»Das kommt nicht in Frage«, stimmte der Russe zu und schlug den Saum seines Mantels zurück, sodass der Revolver sichtbar wurde, der im Gürtel steckte. »Oder müssen wir euch erst zeigen, was geschieht, wenn ihr unseren Zorn herausfordert?«
»Geduld, mes amis«, beschwichtigte Lemont gelassen.
»Geduld?«, schnauzte der Deutsche von seinem Yak herab. »Sie haben leicht reden! Ihr Geld ist es ja nicht, dass diese Halbmenschen mit ihrem abergläubischen Unsinn aufs Spiel setzen!«
»Er hat recht«, pflichtete der Spanier ihm bei. »Haben Sie nicht selbst gesagt, dass wir unser Ziel möglichst rasch erreichen müssen, Großmeister? Dass uns wegen der verschneiten Bergpässe nur ein kurzes Zeitfenster bleibt?«
»In der Tat, das habe ich«, bekannte Lemont ohne Zögern, »und ich bin sicher, dass wir die Reise schon bald ungehindert fortsetzen können. Denn wenn die Männer erst erfahren haben, in wessen Diensten sie stehen, werden sie ihre Meinung fraglos ändern.«
»In wessen Diensten wir stehen, Sahib?« Gumpo schaute ihn verwundert an. »Was bedeutet das?«
Statt zu antworten, lachte Lemont nur - ein schallendes, überlegenes Gelächter, das von den Geröllhängen widerhallte. Sodann stieß er einen knappen Befehl aus, und zu beiden Seiten der Straße schienen die Felsen lebendig zu werden.
Die Träger verfielen in entsetztes Geschrei. Gumpo fuhr herum und wollte fliehen, doch Lemonts Rechte schoss nach vorn, packte ihn am Kragen und hielt ihn unnachgiebig fest.
»Wo willst du hin?«, herrschte er den zappelnden Führer an. »Die Wesen, vor denen du dich fürchtest, sind längst hier!«
Gumpo schrie auf, als sich die in wollene Mäntel gehüllten Gestalten zu ihrer vollen Größe aufrichteten und die Hänge herabstiegen. Je näher sie kamen, desto deutlicher wurde, dass sie wahre Riesen waren, und obwohl Kapuzen ihre Köpfe bedeckten und weit in ihre Gesichter reichten, schienen der sirdar und die Träger bereits zu ahnen, was sich darunter verbarg. Lemont konnte ihre Furcht spüren, und er berauschte sich am Gefühl der Macht, das ihn dabei durchströmte.
Die Vermummten erreichten die Straße. Zu einer Zweierreihe formiert, kamen sie heran. Die Träger wichen furchtsam zurück, einige wandten sich zur Flucht, doch Lemont griff nach seiner Waffe und feuerte in die Luft. »Bleibt hier, ihr Feiglinge!«, schrie er, nachdem der Knall die Männer hatte erstarren lassen. »Die Mig-shár werden euch nichts tun! Seht ihr denn nicht, was hier vor sich geht? Ich bin ihr Herr und Meister!«
Obwohl Gumpo angesichts der unbequemen Lage, in der er sich befand, nicht übersetzen konnte, schienen die Träger auf ihre Weise dennoch zu verstehen. Eingeschüchtert blieben sie stehen und starrten auf Lemont, der sich den Vermummten ohne Zögern entgegenstellte.
Die Kapuzenträger kamen heran.
Es wurde still über der Senke, selbst der beständige Wind schien für einen Moment auszusetzen. Nur noch das leise Gemurmel einiger Treiber war zu hören, die ihre mani lag-khor 37 ausgepackt hatten und beteten, als fürchteten sie, der Untergang der Welt könne jeden Augenblick über sie hereinbrechen.
Als die Vermummten - es waren acht an der Zahl - die Karawane erreichten, blieben sie stehen und schlugen die Kapuzen zurück. Dass kein Entsetzensschrei durch die Reihen der Treiber ging, war ein Beleg dafür, wie sehr die Bergbewohner im Glauben und in den Mythen ihrer Heimat verwurzelt waren. Dass es sich bei den hünenhaften Fremden um Einäugige handelte, hatte für sie schon festgestanden, lange bevor die Besucher ihre Gesichter enthüllten.
Lemonts Geschäftspartner allerdings, allen voran der Deutsche und der Italiener, die nun doch ihre Sänften
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