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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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verstehen können; sie mied in zunehmendem Maße auch seine Gesellschaft.
    Hatte sie ihn anfangs noch täglich in seiner Kammer auf der Nordseite der Festung besucht, so waren diese Besuche schon bald immer seltener geworden. Und je weiter ihr Zustand fortschritt und je deutlicher ihr Körper sich verformte, desto deutlicher bekam er es zu spüren. Zu Beginn hatten sie noch die Mahlzeiten zusammen eingenommen, bis sie irgendwann erklärt hatte, dass sie auch dabei ungestört sein wolle. Er hatte Verständnis geheuchelt, in der verzweifelten Hoffnung, dass sie sich irgendwann besinnen und wieder die Frau werden würde, die er seit seinem Erwachen kennen und lieben gelernt hatte - aber das war nicht der Fall.
    Je mehr Zeit verging, desto unnahbarer wurde sie - und desto mehr hasste er sich selbst.
    Er war ein Mann ohne Namen.
    Ein Fremder ohne Vergangenheit.
    Das Einzige, was ihm seinen Zustand einigermaßen erträglich gemacht hatte, war ihre Zuneigung gewesen. Nun, da er sie verlor, kam ihm sein Dasein sinnlos und verschwendet vor, und er fragte sich, weshalb sie ihn überhaupt aus seiner Ohnmacht geweckt hatte. Die Antwort lag auf der Hand, und sie war ebenso schockierend wie unsinnig: Weil sie ein Kind von ihm gewollt hatte ...
    Kamal hatte versucht, den Gedanken zu ignorieren, hatte ihn als die Eifersucht eines Mannes zu verwerfen versucht, der in seinem noch ungeborenen Kind einen unliebsamen Konkurrenten um die Liebe seiner Frau sah. Das schlechte Gewissen, das er darüber empfand, hatte ihn lange Zeit davon abgehalten, etwas zu unternehmen oder sie wegen ihres seltsamen Verhaltens zur Rede zu stellen.
    Ihr Eintreffen jedoch hatte alles geändert.
    Kamal wusste nicht, wer sie waren.
    Sarah hatte ihm lediglich gesagt, dass sie Besuch erwarten würde, und schon zwei Tage später waren die Gäste eingetroffen. Vom Fenster seiner Kammer aus hatte Kamal sie gesehen: einen ganzen Tross Sänften tragender Yaks sowie unzählige Ponys und Maultiere, die von einheimischen Treibern geführt wurden. Wer immer die Besucher waren, sie schienen nicht nur wohlhabend zu sein, sondern auch einigen Einfluss zu besitzen. Sarahs Aufregung, als sie ihm von der bevorstehenden Visite berichtete, war ihm nicht entgangen.
    Seit sie allerdings in der Festung weilten, hatte Kamal die Fremden nicht mehr zu sehen bekommen. Geradezu eifersüchtig wachte Sarah darüber, dass er ihnen nicht begegnete. Natürlich hatte er sich nach dem Grund hierfür erkundigt, aber sie hatte erwidert, dass es nicht gut für ihn wäre, zu viel zu erfahren. Und allmählich war aus seinen Schuldgefühlen ohnmächtige Wut geworden.
    Wenn sie ihn, wie sie stets beteuert hatte, über alles liebte, weshalb schloss sie ihn dann aus ihrem Leben aus? Trotz der Kälte, mit der sie ihm neuerdings begegnete und die von der alten Zuneigung nichts mehr erkennen ließ, liebte er sie noch immer und war nicht bereit, ihr die Schuld an den Veränderungen der letzten Zeit zu geben. Niemand anders als diese Fremden mussten dafür verantwortlich sein, und er brannte darauf, zu erfahren, wer sie waren und was sie im Schilde führten. Wieso waren sie gekommen? Und weshalb begegnete Sarah ihnen mit derartiger Ehrfurcht?
    Da sie ihm keine Antworten auf diese Fragen gab, hatte er beschlossen, selbst danach zu suchen.
    Vorsichtig hatte er die Tür seiner Kammer einen Spaltweit geöffnet und auf den Korridor hinausgespäht. Zu seiner Erleichterung hatte er dort niemanden entdecken können, und so war er hinausgehuscht und den Korridor hinabgeschlichen, vorbei an der Halle, in der sie früher zusammen gespeist hatten. Seit die Fremden in der Anlage weilten, nahm Kamal seine Mahlzeiten in seiner Kammer ein, getrennt von den geheimnisvollen Gästen.
    Was in aller Welt hatte es mit ihnen auf sich, dass er sie nicht einmal aus der Nähe sehen durfte? Oder war es in Wirklichkeit umgekehrt? Durften sie nichts von seiner Anwesenheit wissen? Und hatte es womöglich mit dem zu tun, was in der Vergangenheit geschehen war? Woran er sich nicht erinnerte?
    Jeder neue Gedanke, der ihm durch den Kopf ging, während er den von Fackelschein beleuchteten Gang hinabhuschte, fachte seine Neugier nur noch mehr an. Dabei wurde ihm bewusst, dass er sich schon längst nicht mehr wie ein Genesender fühlte, den man an einen einsamen Ort gebracht hatte, damit er sich erholte - sondern wie ein Gefangener.
    Entsprechend beschleunigte sich sein Pulsschlag, als aus einem Quergang ein flackernder Schatten auf den

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