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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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und Schönen sammeln, hausen die Menschen im East End wie die Ratten. Wollen Sie das bestreiten?«
    »Keineswegs.«
    »Und entspricht es etwa nicht den Tatsachen, dass man auch in Ihrem Land dem Heer der Verzweifelten nicht die Macht im Staat überlassen will?«
    »Zugegeben«, räumte Sarah ein, »und ich kann nicht behaupten, dass ich stolz darauf bin. Dennoch ist Armut eine Sache - Sklaverei hingegen noch einmal etwas ganz anderes.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Damit will ich sagen, dass jemand, dessen Land die Leibeigenschaft erst vor Kurzem abgeschafft hat, uns Briten besser keine Ratschläge in Sachen Menschlichkeit erteilen sollte«, entgegnete Sarah. »Es ist bekannt, dass Zar Alexander kein Freund des niederen Volkes ist und dass er viele der Reformen, die sein Vater auf den Weg gebracht hat, wieder außer Kraft setzen ...«
    »Nun«, fiel Friedrich Hingis, dessen Brille sich einmal mehr beschlagen hatte, ihr rücksichtslos ins Wort, »ich denke, für einen Abend hat die Unterhaltung lange genug gedauert. Der Ansicht bist du doch auch, werte Freundin, oder nicht?«
    Sarah blitzte den Schweizer verärgert an. Aber schon im nächsten Moment gestand sie sich ein, dass er recht hatte. Sich mit Abramowitsch zu streiten war sinnlos. Da er der Eigner des Schiffes war, war seine Meinung an Bord der ›Strela‹ Gesetz. Und weil er ihnen zudem geholfen hatte, die aufwendigen Einreiseprozeduren zu umgehen, die nötig waren, wenn eine Britin ins Zarenreich einreisen wollte, waren Sarah und Hingis ihm außerdem zu Dank verpflichtet - auch wenn er sich diese Gefälligkeit üppig und in klingender Münze hatte bezahlen lassen.
    »Natürlich, teurer Friedrich«, sagte sie deshalb und setzte das liebenswerteste Lächeln auf, zu dem sie noch in der Lage war. »Du hast wie immer recht.«
    »Dann wollen wir uns jetzt in unsere Kabinen zurückziehen«, schlug der Schweizer diplomatisch vor. »Es war ein langer Tag.«
    »In der Tat«, stimmte Sarah zu und erhob sich, worauf auch Hingis und die Offiziere aufstanden. Lediglich Abramowitsch blieb sitzen, ein breites Grinsen im bärtigen Gesicht.
    »Ich wünsche Ihnen angenehme Ruhe, Lady Kincaid«, sagte er. »Ich freue mich auf die weiteren Nachtmahle, die wir noch zusammen einnehmen werden«
    »Wir ebenso«, beeilte sich Hingis zu versichern, noch ehe Sarah etwas entgegnen konnte. »Nicht wahr, werte Freundin?«
    »Natürlich«, stimmte Sarah zu.
    Mit einem Nicken verabschiedete sie sich von den Anwesenden, dann verließ sie den Speisesaal.
    Sie verspürte das dringende Bedürfnis nach frischer Luft.
     
    In dieser Nacht fand Sarah keine Ruhe.
    Das Streitgespräch mit Abramowitsch wollte ihr nicht aus dem Kopf, und sie schalt sich eine Närrin, dass sie vor dem Russen die Fassung verloren hatte. Nach dem Grund dafür brauchte Sarah nicht lange zu suchen. Die Furcht um Kamal zerrte an ihren Nerven, und sie hatte das Gefühl, niemandem mehr vertrauen zu können.
    Alle hatten sie getäuscht, Freunde wie Feinde. Zuerst ihr Vater, der sie in all den Jahren im Glauben gelassen hatte, sie wäre seine leibliche Tochter. Dann Mortimer Laydon, der sich als ihr Patenonkel ihre Zuneigung erschlichen hatte, in Wahrheit jedoch im Auftrag der Bruderschaft gehandelt und Gardiner Kincaid ermordet hatte. Nach ihm Maurice du Gard, den sie aufrichtig geliebt hatte und der ihr trotz der Vertrautheit, die zwischen ihnen herrschte, nicht alles gesagt zu haben schien, was er über sie gewusst hatte. Später die Gräfin Czerny, die ihr Freundschaft geheuchelt und sich als ihre Schwester im Geiste bezeichnet hatte, bis sie ihr wahres Gesicht und ihre wirklichen Absichten gezeigt hatte.
    Und schließlich sogar el-Hakim, der in all den Jahren gewusst hatte, dass Gardiner Kincaid nicht ihr leiblicher Vater war, es aber nie für nötig befunden hatte, es ihr zu sagen.
    Sarah war dem alten Ammon nicht böse deswegen. Er hatte Gardiner sein Wort gegeben und war an sein Versprechen gebunden gewesen. Dennoch hatte er dazu beigetragen, Sarahs Misstrauen weiter zu verstärken. Wenn nun auch noch ein großspuriger Russe daherkam, der sie mit chauvinistischen Ansichten provozierte und ihre Nation beleidigte, sollte sie dann nicht entsprechend reagieren?
    Nein.
    Je länger Sarah darüber nachdachte, desto deutlicher ging ihr auf, dass sie sich falsch verhalten hatte. Denn ganz gleich, was sie tief in ihrem Inneren empfinden und wie oft sie enttäuscht worden sein mochte - sie konnte es sich nicht leisten,

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