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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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gleichen Linien, der gleiche Stil ...«
    »... nur, dass sie etwas ungelenk wirken«, schränkte Sarah ein. »Jenes Dreieck dort zum Beispiel - wer immer es in den Stein gemeißelt hat, hatte keine Ahnung von Geometrie. Viel eher sieht es aus, als ob ...«
    »... als ob ein Kind die Schrift eines Erwachsenen nachgeahmt hätte«, half Hingis mit einem passenden Vergleich aus. »Ist es das, was du meinst?«
    »In der Art.« Sarah nickte. »Aber unabhängig davon sind die Zeichen ein weiterer Beweis dafür, dass wir auf der richtigen Spur sind und dass auch Gardiner mit einiger Wahrscheinlichkeit schon nach dem Berg Meru gesucht hat.«
    »Dieser alte Fuchs!«, bemerkte Hingis anerkennend. »Aber warum hat er nie etwas darüber verlauten lassen? Eine Entdeckung von solch historischer Tragweite hätte veröffentlicht gehört!«
    »Er hatte wohl seine Gründe«, vermutete Sarah, »und ich nehme an, dass sie mit der Bruderschaft zusammenhängen. Aber darauf kann ich keine Rücksicht mehr nehmen.«
    Im Lichtschein der Fackeln schritten sie die Wand bis zu der Stelle ab, wo die Decke eingebrochen und die Kammer verschüttet war. Hier und da waren weitere Darstellungen zu sehen, die allerdings in keinem Zusammenhang zu stehen schienen, was Sarahs Theorie weder widerlegte noch erhärtete. Vielleicht, dachte sie, hatten die skythischen Erbauer des Tempels jene fremdartigen Zeichen irgendwo gesehen und sie nachgeahmt, weil sie ihnen eine besondere Bedeutung zugeschrieben hatten. Und womöglich, spann sie den Gedanken weiter, hatten diese Zeichen ja auch damit zu tun, dass die skythische Kultur nie eine eigene Schrift hervorgebracht hatte.
    Sie passierten den Durchstieg, der über einige flach abfallende Stufen in eine weitere Kammer mündete. Diese war fast ebenso groß wie die erste; auch hier war ein Teil der Decke eingestürzt, und es gab ebenfalls einen Gang, der noch weiter in die Tiefe zu führen schien. Über dem Sturz entdeckten Sarah und Hingis einen weiteren Beleg dafür, dass sie an der richtigen Stelle suchten - denn in das Gestein waren fünf griechische Schriftzeichen gemeißelt:
     
    ΑΒΓΔΕ
     
    »Das Alexandersiegel!«, hauchte Hingis.
    »Gut möglich, dass das jene Zeichen sind, die Gardiner damals gesehen hat«, fügte Sarah hinzu, während sie ihren Blick über die von Sprüngen durchzogene und von Wurzelwerk durchsetzte Steindecke schweifen ließ. »Vielleicht war dies ja die Stelle, wo er eingebrochen ist.«
    »Das Alpha steht für ›Alexander‹«, rekapitulierte Hingis die Bedeutung des Siegels, »Beta für basileus, was ›König‹ bedeutet. Gamma steht für genos, das Wort für ›Königsgeschlecht‹, und Delta für theos, das griechische Wort für ›Gott‹. Das Epsilon schließlich steht für ergon, was ein Werk oder eine Errungenschaft bezeichnet ...«
    »In diesem Fall wohl Letzteres«, überlegte Sarah. »Alexander hat diesen Tempel besucht und ihn symbolisch in Besitz genommen, indem er sein Zeichen anbringen ließ.«
    »Für einen Eroberer nicht weiter ungewöhnlich«, meinte Hingis. »Die Frage ist eher, was Alexander gerade an diesem Tempel so wichtig erschienen ist, dass er ihn mit dem königlichen Siegel versehen hat.«
    »Diese Frage hat wohl auch Gardiner beschäftigt, und zwar so sehr, dass er fast zwanzig Jahre später noch einmal an diesen Ort zurückgekehrt ist. Allerdings in aller Stille und Heimlichkeit - wohl, weil er in der Zwischenzeit einige Dinge herausgefunden hatte ...«
    »Ich kann nicht behaupten, dass mir dieser Gedanke besonders gut gefällt«, gab Hingis zu.
    »Mir auch nicht«, gestand Sarah ein. »Aber es ist der Weg zu Kamal.« Ohne Zögern bückte sie sich und schlüpfte unter dem niedrigen Sturz hindurch in den dahinter liegenden Gang. Hingis und Yuri, der sich schweigend im Hintergrund hielt, jedoch eine Hand auf seiner Muskete liegen hatte, folgten ihr.
    Der Stollen war von Menschenhand in den Fels getrieben und führte schräg bergab. Die Fackel erhoben, ging Sarah voraus, den Blick wachsam in die Dunkelheit gerichtet, die sich vor ihr ballte und dem Feuerschein nur widerwillig weichen wollte. Erneut stießen sie auf Darstellungen im Felsgestein. Diesmal allerdings waren sie gegenständlicher Natur und alle eindeutig skythisch.
    Auf den ersten Bildern waren Szenen abgebildet, wie Sarah sie schon früher gesehen hatte: Darstellungen von skythischen Kriegern, die auf Pferden ritten und mit den für ihr Volk so charakteristischen kurzen Bogen bewaffnet waren.

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