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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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der im Lauf der Schlacht von Inkerman die schwersten und blutigsten Gefechte gesehen hatte. Was sie dabei in dem von Feuchtigkeit und Kälte durchdrungenen Boden gefunden hatten, war schaurig genug gewesen. Am fünften Tag jedoch - und damit unerwartet früh - entdeckte einer der russischen Ausgräber etwas, das erstmals Anlass zur Hoffnung gab.
    Sarahs Gruppe war gerade dabei, Planquadrat 16-b zu durchkämmen, das sich unmittelbar an der alten Poststraße befand, als von Hingis' Gruppe, die etwa hundert Yards weiter westlich arbeitete, ein Stück den Hügel hinauf, lautes Geschrei herüberdrang. Als Sarah den Blick hob, sah sie Yuri dort oben stehen, wie von Sinnen mit einer behelfsmäßigen Fahne aus Kanvas winkend.
    »Kommen!«, rief er dazu. »Kommen rasch ...!«
    Sarah zögerte keinen Augenblick und rannte los. Es war später Nachmittag, aber die Sonne stand noch hoch am Himmel, sodass es warm geworden war. Ihre Schaufel noch in der Hand, die Ärmel ihrer Bluse aufgekrempelt wie ein Kohlenmann, setzte sie den Hügel hinauf. Zwei der Gräber folgten ihr, ebenso Ammon und der junge Ufuk, wenn auch sehr viel langsamer.
    Schon aus einiger Entfernung konnte sie Friedrich Hingis' silberhelles Lachen hören: ein sicheres Anzeichen dafür, dass der Schweizer und seine Leute tatsächlich auf etwas gestoßen waren. Sarah beschleunigte ihren Schritt. Ihre Stiefel versanken bis zu den Knöcheln im Morast, und sie hatte Mühe, im steil ansteigenden, von Sträuchern und Buschwerk überwucherten Gelände voranzukommen. Natürlich hätte sie auch den Umweg über den Pfad nehmen können, der von der Poststraße abzweigte und den Anstieg über den so genannten Wellway umging, aber dazu war ihre Ungeduld zu groß.
    Sie erreichte die Grabungsstelle, helfende Hände reckten sich ihr entgegen und zogen sie herauf. Wie Sarah auf den ersten Blick feststellte, hatten Hingis und seine Helfer ganze Arbeit geleistet: Auf einer Fläche von zwanzig Yards im Quadrat war die Vegetation gerodet und der Boden freigelegt worden. Hier und dort waren Messlatten aufgestellt worden, und man hatte an verschiedenen Orten Probegrabungen vorgenommen. In diesem Augenblick jedoch hatten sich alle um eine Stelle versammelt, die unterhalb eines etwa zwei Yards hohen Hangabbruchs lag. War es womöglich hier gewesen, wo ihr Vater eingebrochen war? Sarahs Pulsschlag, der sich beim Laufen ohnehin beschleunigt hatte, steigerte sich in hämmerndes Stakkato.
    »Kommen, kommen, Mylady«, forderte Yuri sie auf, der von einem Ohr zum anderen grinste und vorausging, um ihr einen Weg durch den Kordon der Ausgräber zu bahnen.
    Die Stelle, um die sich die Männer drängten, maß drei Yards im Quadrat und war von vier in den Boden gerammten Holzpflöcken markiert. In der Mitte war ein Stück Gestein zu sehen, das aus dem Boden ragte. Daneben kniete Friedrich Hingis, ein siegessicheres Lächeln im Gesicht. Seine Hose und sein Hemd waren schmutzbedeckt, ebenso wie seine Brille, durch die er kaum noch etwas zu sehen schien, zumal sie vor Anstrengung beschlagen war.
    »Komm, Sarah«, verlangte er und winkte Sarah aufgeregt heran, »sieh dir das an!«
    Sie gesellte sich zu ihm, und ihr geschulter Blick erkannte sofort, dass die Gesteinsoberfläche nicht natürlichen Ursprungs, sondern künstlich behauen war.
    »Das könnte etwas sein«, gab sie zu, während sie gleichzeitig nach einem Spatel griff, um noch mehr Erdboden und Morast zu entfernen. Schon mehrfach waren sie im Boden auf die Überreste von Steinmauern gestoßen, die sich jedoch bei näherer Betrachtung als die Überreste ehemaliger Bollwerke und Geschützbefestigungen herausgestellt hatten. Sarah wollte ganz sichergehen, ehe sie sich von der Euphorie der anderen anstecken ließ.
    »›Das könnte etwas sein‹?«, echote Hingis und verzog seine schmutzgrauen Züge zu einem Grinsen. »Meine Liebe, das scheint mir reichlich untertrieben. Ich wäre dir dankbar, wenn du deine Begeisterung dem Gegenstand anpassen würdest.«
    Damit erhob er sich und gab den Blick auf einen weiteren Steinsockel frei, den er bislang mit dem Körper verdeckt hatte. Auch dieser war von Schmutz befreit und künstlich behauen - an seiner Vorderseite jedoch entdeckte Sarah etwas, das jeden Zweifel hinfällig machte. Zwei griechische Schriftzeichen waren dort eingemeißelt, Alpha und Beta.
    Die ersten Buchstaben des Alexandersiegels!
    Zitternd streckte Sarah die Hand aus, befühlte ungläubig die Rillen, als wollte sie sich vergewissern, dass

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