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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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zusammengehalten hatte, zwischen den Fingern. »Offenbar hasst sie Sie wie die Pest.« Während er das Band wieder auseinanderwickelte, fügte er nachdenklich hinzu: »Und das wäre nur allzu verständlich, falls Sie sie wirklich gezwungen haben, wegen des Babys zu lügen. Oder falls der Tote vielleicht auf Ihr Konto geht. Allerdings glaube ich eher, dass sie eine Wut auf sie hat, weil Sie die Sache haben auffliegen lassen.«
    Tom schwieg.
    »Zu beweisen, wie er ums Leben gekommen ist, ist Aufgabe der Krone und bei einem Burschen, der schon seit fast vier Jahren unter der Erde liegt, keine leichte Aufgabe. Es ist nämlich nicht mehr viel von ihm übrig. Keine Knochenbrüche, keine Schädelverletzungen; außerdem war er wegen einer Herzerkrankung in Behandlung. Normalerweise würde der Leichenbeschauer daraus eindeutige Schlüsse ziehen. Wenn Sie offen zu uns wären und uns die ganze Wahrheit sagen würden …«
    »Wenn ich mich in allen Punkten schuldig bekenne und gestehe, dass ich Isabel unter Druck gesetzt habe, und wenn es keine anderen Beweise gibt, dann kann ihr niemand etwas anhaben, richtig?«
    »Ja, aber …«
    »In diesem Fall werde ich alles hinnehmen, was auf mich zukommt.«
    »Das Problem ist nur, dass einiges mehr auf Sie zukommen könnte, als Sie geplant haben«, entgegnete Fitzgerald, während er die Papiere wieder in seiner Aktenmappe verstaute. »Wir haben keine Ahnung, welche Anschuldigungen Ihre Frau gegen Sie erheben wird, falls sie überhaupt jemals redet. Ich an Ihrer Stelle würde mir das noch mal gründlich überlegen.«
    Die Leute hatten schon vor Graces Rückkehr hinter vorgehaltener Hand über Hannah getuschelt. Nun zerrissen sie sich noch mehr die Mäuler. Eigentlich hatten sie eine wundersame Verwandlung erwartet, eine chemische Reaktion, ausgelöst durch das Wiedersehen von Mutter und Tochter. Doch sie wurden enttäuscht: Das Kind wirkte verzweifelt, die Mutter niedergeschlagen. Hannah bekam nicht etwa rosige Wangen, nein, weit gefehlt, sie sah sogar noch verhärmter aus als sonst, und jeder von Graces Weinkrämpfen weckte in ihr Zweifel, ob es richtig gewesen war, sie zurückzuverlangen.
    Die Polizei hatte alte Protokollbücher von Janus Rock beschlagnahmt und die Handschrift mit der verglichen, in der die Briefe an Hannah abgefasst waren: Es war unverkennbar, dass die kühnen, regelmäßigen Buchstaben in beiden übereinstimmten. Auch dass Bluey die Rassel richtig identifiziert hatte, stand fest. Nur das Baby selbst hatte sich bis zur Unkenntlichkeit verändert. Hannah hatte Frank ein winziges, dunkelhaariges, fünf Kilo schweres Wesen in den Arm gelegt. Und nun hatte ihr das Schicksal einen verängstigten, dickköpfigen blonden Wechselbalg zurückgegeben, der auf eigenen Füßen stand, laufen konnte und schrie, bis er feuerrot im Gesicht war und ihm Tränen und Speichel vom Kinn tropften. Das Selbstbewusstsein im Umgang mit ihrem Baby, das Hannah sich in den ersten Wochen angeeignet hatte, löste sich rasch in Luft auf. Die vertrauten Abläufe und das wortlose Verstehen, an die sie wieder anzuknüpfen gehofft hatte, gab es nicht mehr. Das Verhalten des Kindes war für sie völlig unberechenbar. Sie waren wie zwei Tänzerinnen, von denen keine die Schritte der anderen kannte.
    Zu Hannahs Schrecken verlor sie immer wieder die Geduld mit ihrer Tochter, die anfangs nur nach zähen Kämpfen bereit war, zu essen, zu schlafen und sich waschen zu lassen, und schließlich nur noch verstockt schwieg. In all ihren jahrelangen Wunschfantasien, ja, nicht einmal in ihren Albträumen hatte sie es sich so schrecklich vorgestellt.
    In ihrer Verzweiflung brachte sie das Kind zu Dr. Sumpton.
    »Nun«, meinte der beleibte Arzt und legte das Stethoskop zurück auf den Schreibtisch. »Körperlich ist sie putzmunter.« Er schob das Glas mit den Geleebohnen in Graces Richtung. »Bedien dich, kleines Fräulein.«
    Das Mädchen, das nach der ersten Begegnung mit ihm auf dem Polizeirevier noch immer starr vor Angst war, antwortete nicht. Hannah hielt ihr das Glas hin. »Nimm dir eines. In deiner Lieblingsfarbe, Schatz.« Doch ihre Tochter wandte nur den Kopf ab und wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger.
    »Und Sie sagten, dass sie einnässt?«
    »Häufig. Aber in ihrem Alter würde man doch normalerweise erwarten …«
    »Ich muss Sie wohl nicht daran erinnern, dass die Umstände alles andere als normal sind.« Er läutete eine Glocke auf seinem Schreibtisch. Nach einem diskreten Anklopfen trat

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