Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
ausrichten, dass er versteht.«
Sie konnte ihr Erstaunen nicht verhehlen. »Was versteht er?«
»Das hat er mir nicht verraten.«
Sie starrte Bluey an, allerdings ohne ihn wirklich zu sehen. Nach einer Weile, inzwischen war er unter ihrem Blick feuerrot geworden, seufzte sie auf: »Tja, jetzt hast du es mir ausgerichtet.« Langsam erhob sie sich. »Ich bringe dich hinaus.«
»Aber … was?«, stotterte Bluey verdattert.
»Was ist noch?«
»Was soll ich ihm antworten? Hast du keine Nachricht an ihn?« Sie schwieg. »Er war immer gut zu mir, Isabel … ihr alle beide.«
»Hier entlang«, entgegnete sie nur und begleitete ihn zur Tür.
Nachdem sie sie hinter ihm geschlossen hatte, drückte sie zitternd ihr Gesicht an die Wand.
»Oh, Isabel, mein Kind!«, rief ihre Mutter aus. »Komm und leg dich hin, braves Mädchen.« Sie führte sie in ihr Zimmer.
»Mir wird wieder übel«, sagte Isabel. Violet stellte ihrer Tochter gerade noch rechtzeitig die alte Porzellanschüssel auf den Schoß.
Bill Graysmark war stolz darauf, ein guter Menschenkenner zu sein. Als Schuldirektor hatte er Gelegenheit, die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen zu beobachten, und seine Vorhersagen, wer es im Leben zu etwas bringen und wer daran scheitern würde, trafen in den meisten Fällen zu. Und nun wies ihn nichts in seinem Bauchgefühl darauf hin, dass Tom Sherbourne ein Lügner oder Gewalttäter war. Sein Umgang mit Lucy zeigte ganz klar, dass das Kind nicht die Spur von Angst vor ihm hatte. Und außerdem hätte Bill sich keinen besseren Mann für seine Tochter wünschen können.
Doch nach dem Verlust des einzigen Enkelkindes, das er je haben würde, galt all seine Treue seiner Tochter. Er drängte seine Zweifel beiseite: Blut war eben dicker als Wasser, und das hatte er, weiß Gott, auf dem harten Weg gelernt.
»Eine schreckliche Sache, Vernon, eine schreckliche Sache. Die arme Isabel ist am Ende ihrer Kräfte«, sagte er, als die beiden Männer zusammen in einer Ecke des Pubs saßen.
»Solange sie gegen Tom aussagt, hat sie nichts zu befürchten«, erwiderte Knuckey.
Bill bedachte ihn mit einem fragenden Blick.
»Sie kann für nichts, wozu er sie gezwungen hat, strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Also braucht sie nur ihre Version der Dinge zu erzählen. Sie gilt als ›schuldfähig, aber nicht verantwortlich‹, in einem Fall wie diesem also als Zeugin«, erklärte der Polizist. »Ihre Aussage ist zulässig – für den Richter ist sie so gültig wie alle anderen auch. Andererseits kann man eine Frau nicht zwingen, gegen ihren Mann auszusagen. Und er hat natürlich ohnehin das Recht zu schweigen. Wir können auch nicht von ihm verlangen, dass er sie beschuldigt, wenn er nicht will, und er hat mir unmissverständlich klargemacht, dass wir von ihm nichts erfahren werden.« Er hielt inne. »Hat Isabel … nun … in Gegenwart des Kindes je einen beklommenen Eindruck gemacht?«
Bill sah ihn an. »Lassen Sie uns beim Thema bleiben, Vernon.«
Knuckey hakte nicht weiter nach. »Leuchtturmwärter ist eine Vertrauensstellung«, fuhr er fort. »Unser Land, ja, die ganze Welt, wenn man es so betrachtet, verlässt sich darauf, dass es sich um ehrliche und anständige Männer mit ausgezeichnetem Leumund handelt. Wir können nicht dulden, dass sie amtliche Dokumente fälschen und Druck auf ihre Frauen ausüben. Geschweige denn das, was er mit Frank Roennfeldt gemacht haben mag, bevor er ihn beerdigt hat.« Er bemerkte Bills erschrockene Miene, sprach aber dennoch weiter. »Nein. Am besten erstickt man so etwas gleich im Keim. In ein paar Wochen ist der Magistrat hier, und dann wird eine Anhörung stattfinden. Wenn man sich Sherbournes bisherige Aussagen ansieht, nun … wahrscheinlich wird er nach Albany überstellt, wo die Gerichte die Befugnis haben, strengere Strafen zu verhängen. Oder sie fahren noch schärfere Geschütze auf und schaffen ihn nach Perth. Spragg sucht nach Hinweisen darauf, dass der Mann bei seiner Ankunft auf Janus noch nicht tot war.« Er leerte sein Bierglas. »Die Dinge sehen für Tom nicht sehr rosig aus, Bill, so viel kann ich Ihnen verraten.«
»Magst du Bücher, Schatz?«, fragte Hannah. Sie hatte alles versucht, was ihr einfiel, um eine Brücke zu ihrer Tochter zu bauen. Sie selbst hatte als Kind Geschichten geliebt, und eine ihrer wenigen Erinnerungen an ihre eigene Mutter war, wie sie ihr eines sonnigen Nachmittags auf dem Rasen von Bermondsey The Tale of Peter Rabbit vorgelesen
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