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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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wohnte einfach darin. Außerdem machte ihn die Zerstückelung der Insel und die Unterteilung in gut und schlecht, gefährlich und ungefährlich, auf unerklärliche Weise traurig. Er sah Janus lieber als Einheit. Es war ihm auch unangenehm, dass einige Örtlichkeiten nun seinen Namen trugen. Janus gehörte nicht ihm. Es war eher umgekehrt, so wie es die Eingeborenen mit dem Land hielten. Seine Aufgabe bestand nur darin, darauf zu achten.
    Er sah seine Frau an, die ihr Werk mit einem stolzen Lächeln musterte. Wenn sie den Dingen Namen geben wollte, konnte es ja nicht schaden. Und vielleicht würde sie eines Tages ja seine Sicht der Dinge verstehen.
    Wenn Tom eine Einladung zu einem Treffen seines Bataillons erhält, antwortet er immer. Stets schickt er Glückwünsche und eine kleine Spende fürs Kasino. Aber er geht nie hin. Nun, als Leuchtturmwärter könnte er das auch nicht, selbst wenn er es wollte. Er weiß, dass es Menschen gibt, die es als tröstlich empfinden, bekannte Gesichter zu sehen und in alten Anekdoten zu schwelgen. Doch er möchte nichts damit zu tun haben. Er hat Freunde verloren – Männer, denen er vertraut und mit denen er gekämpft, getrunken und vor Angst gezittert hat. Männer, mit denen er sich ohne Worte verständigen konnte, so als seien sie Teil seines Körpers. Er denkt an die Sprache, die sie miteinander verbunden hat: Wörter, die sie erfanden, um eine bislang unbekannte Situation zu beschönigen. »Ananas«, »Würstchen«, »Plumpudding« – alles Bezeichnungen für die verschiedenen Typen von Granaten, die immer wieder im Schützengraben landeten. Die Läuse, die Verpflegung, der Heimatschuss, der dafür sorgte, dass man nach England ins Krankenhaus geschafft wurde – alles hatte einen eigenen Namen. Er fragt sich, wie viele Männer diesen geheimen Jargon noch beherrschen.
    Manchmal, wenn er neben Isabel aufwacht, ist er noch immer erstaunt und außerdem erleichtert, dass sie lebt. Sicherheitshalber beobachtet er genau ihre Atmung. Dann schmiegt er den Kopf an ihren Rücken und genießt es, wie weich ihre Haut ist und wie sich ihr Körper im Schlaf sanft hebt und senkt. Es ist das größte Wunder, das er je gesehen hat.

Kapitel 8
    »Vielleicht waren ja alle Erlebnisse, auf die ich gerne verzichtet hätte, Prüfungen, um festzustellen, ob ich dich auch verdiene, Izz.«
    Seit Isabels Ankunft auf Janus waren inzwischen drei Monate vergangen, und sie lagen auf einer Decke im Gras. Der Aprilabend war noch verhältnismäßig warm, und am Himmel funkelten die Sterne. Isabel hatte die Augen geschlossen und kuschelte sich in Toms Armbeuge, während er ihren Hals streichelte.
    »Du bist meine andere Hälfte des Himmels«, sagte er.
    »Ich wusste gar nicht, dass du ein Dichter bist!«
    »Oh, das ist nicht von mir. Ich habe es irgendwo gelesen. Ein lateinisches Gedicht? Ein griechischer Mythos? Jedenfalls etwas in diese Richtung.«
    »Du und deine teure Privatschule!«, neckte sie ihn.
    Isabel hatte Geburtstag. Tom hatte Frühstück und Abendessen für sie gemacht und zugesehen, wie sie die Schleife von dem aufziehbaren Grammophon entfernte, das er mit Ralphs und Blueys Hilfe auf die Insel geschmuggelt hatte. Es war der Ausgleich dafür, dass das Klavier, das er ihr anfangs so stolz präsentiert hatte, nach jahrelanger Vernachlässigung unbespielbar war. Den ganzen Tag hatte sie Chopin und Brahms gehört, und nun hallten die Klänge von Händels Messias vom Leuchtturm herüber, wo sie das Gerät wegen der besseren Akustik aufgestellt hatten.
    »Ich liebe es, wenn du das tust«, meinte Tom, der gerade beobachtete, wie sie sich eine Haarlocke um den Zeigefinger wickelte, bis eine Sprungfeder entstand, und sie wieder losließ.
    »Oh, Mum findet, dass es eine schlechte Angewohnheit ist«, erwiderte sie, plötzlich verlegen. »Offenbar mache ich das schon immer. Ich bemerke es gar nicht.« Tom nahm eine ihrer Haarsträhnen und schlang sie um seinen eigenen Finger, dass sie sich entrollte wie eine Luftschlange.
    »Erzähl mir noch einen Mythos«, sagte Isabel.
    Tom überlegte. »Wusstest du, dass das Wort Januar von Janus abgeleitet ist? Der Monat ist nach demselben Gott benannt wie diese Insel. Er hat zwei Gesichter, eines in jede Richtung. Ein ziemlich hässlicher Bursche.«
    »Und wofür ist er zuständig.«
    »Türen. Er schaut immer in zwei Richtungen und ist zwischen zwei Sichtweisen hin und her gerissen. Der Januar blickt nach vorn ins neue Jahr und zurück ins alte. Er sieht die

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