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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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»Ellie« gedacht. »Mrs. Sherbourne, richtig. Wann kommt sie denn zurück?«
    Der Mann schnaubte. »Gar nicht mehr. Was ein Jammer ist, weil sie mir noch eine Monatsmiete schuldet.«
    Irgendetwas stimmte nicht mit der Wirklichkeit. Sie passte nicht zu dem Wiedersehen, wie er es sich seit Jahren ausgemalt und erträumt hatte. Toms Puls beschleunigte sich. »Haben Sie eine Nachsendeadresse?«
    »Dort, wo die jetzt ist, kriegt sie keine Post mehr. Sie ist vor drei Wochen gestorben. Ich wollte gerade ihre Sachen ausräumen.«
    Keine der Szenen, die Tom sich vorgestellt hatte, hatte so geendet. Er stand da wie erstarrt.
    »Gehen Sie mir aus dem Weg oder wollen Sie hier einziehen?«, fragte der Mann mürrisch.
    Tom zögerte. Dann zückte er die Brieftasche und holte fünf Pfund heraus. »Für ihre Miete«, sagte er leise und eilte, mit den Tränen kämpfend, den Flur entlang davon.
    Der winzige Funke Hoffnung, den Tom so lange am Leben erhalten hatte, war erloschen, in einer Seitengasse in Sydney und in einer Welt, die am Rande eines Krieges stand. Einen knappen Monat später hatte er sich freiwillig gemeldet und als nächste Verwandte seine Mutter und die Adresse des Gästehauses angegeben. Die Musterungsoffiziere waren nicht groß an Einzelheiten interessiert.
    Nun strich Tom mit der Hand über das glatt gehobelte Holz und versuchte, sich vorzustellen, was er seiner Mutter nun schreiben würde, wenn sie noch am Leben gewesen wäre – wie er ihr von dem Baby erzählt hätte.
    Dann griff er zum Maßband und wandte sich dem nächsten Holzstück zu.
    »Zebedee.« Isabel sah Tom mit todernster Miene an. Nur um ihre Mundwinkel zuckte es leicht.
    »Was?«, fragte Tom und hielt in seiner Fußmassage inne.
    »Zebedee«, wiederholte sie und steckte die Nase wieder in ihr Buch, damit er ihren Gesichtsausdruck nicht bemerkte.
    »Das kann doch nicht dein Ernst sein! Was für ein Name …«
    Ein gekränkter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »So hieß mein Großonkel. Zebedee Zanzibar Graysmark.«
    Tom betrachtete sie zweifelnd, während sie weitersprach. »Ich habe Großmutter auf ihrem Totenbett versprochen, dass ich, falls ich je einen Sohn haben sollte, ihn nach ihrem Bruder benennen würde. Ich muss mein Wort halten.«
    »Eigentlich hatte ich mir etwas Normaleres vorgestellt.«
    »Soll das heißen, mein Großonkel war nicht normal?« Isabel konnte sich nicht mehr beherrschen und bekam einen Lachanfall. »Erwischt! Jetzt habe ich dich richtig reingelegt!«
    »Du hinterlistiges Geschöpf! Das sollst du mir büßen!«
    »Nein, nicht! Aufhören!«
    »Keine Gnade«, erwiderte er, während er sie am Bauch und am Hals kitzelte.
    »Ich ergebe mich!«
    »Zu spät!«
    Sie lagen auf der Wiese, die in die Schiffbruchbucht überging. Es war später Nachmittag, und das weiche Licht verfärbte den Sand gelb.
    Plötzlich hielt Tom inne.
    »Was ist?«, fragte Isabel und spähte unter dem langen Haar hervor, das ihr ins Gesicht hing.
    Er strich es ihr aus den Augen und betrachtete sie schweigend, bis sie seine Wange berührte. »Tom?«
    »Manchmal haut es mich noch immer um. Vor drei Monaten waren wir nur zu zweit, und auf einmal ist da ein anderes Leben, einfach aufgetaucht aus dem Nichts, wie …«
    »Wie ein Baby.«
    »Ja, ein Baby. Aber es steckt noch mehr dahinter, Izz. Wenn ich früher, bevor du hier warst, im Laternenraum saß, habe ich darüber nachgedacht, was das Leben ist. Ich meine, verglichen mit dem Tod …« Er hielt inne. »Jetzt rede ich Unsinn. Ich bin besser still.«
    Isabel schob ihm die Hand unter das Kinn. »Du sprichst so selten über das, was in dir vorgeht, Tom. Erzähl es mir.«
    »Ich kann es nicht richtig ausdrücken. Woher kommt das Leben?«
    »Ist das wichtig?«
    »Ob das wichtig ist?«, entgegnete er.
    »Das ist ein Geheimnis, das wir nicht verstehen.«
    »Manchmal wollte ich eine Antwort darauf, so viel kann ich dir erklären. Wenn ich den letzten Atemzug eines Mannes sah, wollte ich ihn fragen: ›Wo bist du jetzt? Nur vor wenigen Sekunden warst du hier neben mir, und jetzt haben ein paar Metallstückchen deine Haut durchschlagen, und weil sie dich schnell genug getroffen haben, bist du jetzt anderswo. Wie kann das sein?‹«
    Isabel schlang den Arm um die Knie und zupfte mit der anderen Hand an dem Gras neben ihr. »Glaubst du, die Menschen erinnern sich an dieses Leben, wenn sie gehen müssen? Meinst du, meine Oma und mein Opa treiben es, sagen wir mal, im Himmel miteinander?«
    »Keine Ahnung«,

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