Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
antwortete Tom.
»Wenn wir beide tot sind, Tom«, fügte sie mit plötzlicher Leidenschaft hinzu, »wird Gott uns nicht trennen, oder? Er wird uns erlauben zusammenzubleiben.«
Tom umarmte sie. »Schau, was ich angerichtet habe. Ich hätte meinen dummen Mund halten sollen. Komm, wir waren doch gerade dabei, uns einen Namen zu überlegen. Und ich wollte ein armes Baby vor dem Schicksal bewahren, ein Leben als Zebedee Zanzibar führen zu müssen. Wo sind wir bei den Mädchennamen?«
»Alice, Amelia, Annabel, April, Ariadne …«
Tom zog die Augenbrauen hoch. »Und schon wieder legt sie los … Ariadne! Sie wird es schon schwer genug haben, in einem Leuchtturm aufzuwachsen. Wir wollen sie nicht auch noch mit einem Namen belasten, über den sich die Leute lustig machen.«
»Nur noch zweihundert Seiten«, erwiderte Isabel und grinste.
Als Tom an jenem Abend von der Galerie blickte, kehrte er wieder zu seiner Frage zurück. Wo war die Seele seines Babys zuvor gewesen? Wo würde sie hingehen? Wo waren die Seelen der Männer, die mit ihm Witze gerissen und salutiert hatten und durch den Schlamm gewatet waren?
Und hier war er nun, gesund und in Sicherheit, mit einer wunderschönen Ehefrau und einer Seele, die beschlossen hatte, sich zu ihnen zu gesellen. Aus heiterem Himmel und am äußersten Zipfel der Welt erschien plötzlich ein Baby. So lange hatte er auf der Todesliste gestanden, dass es ihm unmöglich erschien, das Leben könnte sich zu seinen Gunsten entscheiden.
Er kehrte in den Laternenraum zurück und betrachtete das Foto von Isabel an der Wand. Das Geheimnis hinter allem. Das Geheimnis.
Toms zweites mit dem letzten Schiff eingetroffenes Geschenk war Die Aufzucht und Erziehung des Kindes: Ein Ratgeber für die australische Mutter von Dr. Samuel B. Griffith gewesen. Isabel las in jeder freien Minute darin.
Sie bombardierte Tom mit Informationen. »Wusstest du, dass die Kniescheiben eines Babys nicht aus Knochen bestehen? Ab welchem Alter, glaubst du, lassen sich Babys mit dem Teelöffel füttern?«
»Keine Ahnung, Izz.«
»Los, rate!«
»Wirklich! Woher soll ich das wissen?«
»Ach, du bist ein Spielverderber!«, beschwerte sie sich und beugte sich wieder über das Buch, um weitere Fakten zutage zu fördern.
Nur wenige Wochen später war das Buch an den Rändern gewellt und voller Grasflecken, weil sie so viel Zeit draußen verbrachte.
»Du bekommst ein Baby. Du musst keine Prüfung ablegen.«
»Ich will alles richtig machen. Schließlich kann ich nicht schnell kurz mal nach nebenan gehen und Mum fragen, richtig?«
»Oh, Izzy Bella.« Tom lachte.
»Was? Was ist so komisch?«
»Nichts. Überhaupt nichts. Ich würde nichts an dir verändern wollen.«
Sie lächelte und küsste ihn. »Du wirst ein wundervoller Dad sein.« Ihr Blick wurde fragend.
»Was ist?«, wollte Tom wissen.
»Nichts.«
»Nein, sag es.«
» Dein Dad. Warum redest du nie über ihn?«
»Unser Verhältnis ist ziemlich kühl.«
»Aber wie war er?«
Tom überlegte. Wie sollte er ihn bloß beschreiben? Wie sollte er seinen Augenausdruck schildern, den unsichtbaren Graben, der ihn immer umgab, sodass man nie richtig an ihn herankam? »Er hatte recht. Immer recht. Ganz gleich, was das Thema war. Er kannte die Regeln und hielt sich daran, und wenn die ganze Welt untergegangen wäre.« Tom dachte an die hochgewachsene, stocksteife Gestalt, die – so hart und kalt wie ein Grabmal – ihren Schatten über seine Kindheit geworfen hatte.
»War er streng?«
Tom lachte höhnisch auf. »Streng wäre noch milde ausgedrückt.« Nachdenklich stützte er das Kinn in die Hand. »Vielleicht wollte er nur sichergehen, dass seine Söhne nicht über die Stränge schlugen. Bei der kleinsten Kleinigkeit wurde der Lederriemen ausgepackt. Nun, zumindest bei mir. Cecil hat mich immer verpetzt, weshalb er mit einer milden Strafe davonkam.« Wieder lachte er auf. »Eines verrate ich dir – der Drill bei der Army ist mir deshalb leichtgefallen. Alles hat seine Vorteile.« Seine Miene wurde ernst. »Und wahrscheinlich habe ich es deshalb besser im Krieg ausgehalten, weil ich wusste, dass es niemandem das Herz brechen würde, wenn das Telegramm kommt.«
»Oh, Tom, sag so etwas nicht!«
Er zog ihren Kopf an seine Brust und strich schweigend über ihr Haar.
Manchmal ist der Ozean nicht der Ozean – nicht blau, ja, nicht einmal Wasser, sondern ein heftiger und wuchtiger Gewaltausbruch in einer Wildheit, wie nur die Götter sie hervorrufen
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