Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
Vom Netzwerk:
knöpfte ihre Bluse auf. Sekunden später hatte das Baby angedockt und saugte zufrieden, obwohl nur ein paar Tropfen Milch kamen.
    So saßen sie schon eine geraume Weile da, als Tom in die Küche trat. »Wie geht es dem …?« Bei dem Anblick, der sich ihm bot, brach er mitten im Satz ab.
    Isabel sah ihn mit einer Mischung aus Arglosigkeit und schlechtem Gewissen an. »Es war der einzige Weg, sie zu beruhigen.«
    »Aber … nun …« In seinem Schreck konnte Tom die Frage nicht in Worte fassen.
    »Sie war außer sich und hat das Fläschchen abgelehnt …«
    »Aber … Aber sie hat es doch vorhin auch angenommen. Ich hab es selbst gesehen …«
    »Ja, weil sie am Verhungern war. Sicher buchstäblich.«
    Tom starrte sie weiter entgeistert an.
    »Es ist das Natürlichste von der Welt, Tom. Das Beste, was ich für sie tun kann. Schau nicht so schockiert.« Sie streckte die Hand nach ihm aus. »Komm her, Liebling. Lächle.«
    Tom nahm ihre Hand, doch seine Verwirrung blieb. Und tief in seinem Inneren breitete sich zunehmend Beklommenheit aus.
    An diesem Nachmittag leuchteten Isabels Augen so lebendig, wie Tom es schon lange nicht mehr gesehen hatte. »Komm und schau!«, rief sie aus. »Ist sie nicht wunderschön? Sie passt so gut hier hinein!« Isabel wies auf die Wiege aus Korbgeflecht, in der das Baby schlief. Die kleine Brust hob und senkte sich friedlich, ein winziges Echo der Wellen rund um die Insel.
    »Wie eine Walnuss in der Schale, findest du nicht?«, stellte Tom fest.
    »Ich würde sie auf unter drei Monate schätzen.«
    »Woran merkst du das?«
    »Ich hab es nachgeschlagen.« Tom zog eine Augenbraue hoch. »Bei Dr. Griffith . Außerdem habe ich Karotten und weiße Rüben geerntet und mit dem letzten Hammelfleisch einen Eintopf gekocht. Das heutige Abendessen soll etwas ganz Besonderes werden.«
    Tom runzelte verdattert die Stirn.
    »Wir müssen Lucy begrüßen und für ihren armen Vater ein Gebet sprechen.«
    »Falls er das war«, erwiderte Tom. »Und Lucy ?«
    »Nun, sie braucht einen Namen. Lucy bedeutet Licht, das ist doch wunderbar, oder?«
    »Izzy Bella.« Er lächelte und strich ihr sanft übers Haar. Dann wurde seine Miene ernst. »Sei vorsichtig, Liebling. Ich möchte nicht, dass dir wehgetan wird …«
    Als Tom an jenem Abend die Lampe anzündete, konnte er sein Unbehagen weder vertreiben noch feststellen, ob es aus der Vergangenheit – wiedererwachte Trauer – oder aus einer düsteren Vorahnung herrührte. Auf dem Rückweg die schmale Wendeltreppe und die verschiedenen Etagen hinunter spürte er eine Schwere in der Brust, das Gefühl, in eine Dunkelheit zurückzugleiten, von der er eigentlich geglaubt hatte, dass er ihr entronnen war.
    Am Abend verspeisten sie ihr Abendessen, begleitet vom Schniefen des Babys und einem gelegentlichen Gurgeln, das ein Lächeln auf Isabels Lippen zauberte. »Ich frage mich, was aus ihr werden soll«, überlegte sie laut. »Die Vorstellung, dass sie wie Sarah Porters kleiner Junge in einem Waisenhaus enden könnte, ist so traurig.«
    Später liebten sie sich zum ersten Mal seit der Totgeburt. Isabel erschien Tom verändert: selbstsicher und entspannt. Anschließend küsste sie ihn und sagte: »Lass uns im Frühling einen Rosengarten anlegen. Einer, der noch sein wird, wenn wir es nicht mehr sind.«
    »Ich schicke heute Morgen das Signal«, verkündete Tom, als er kurz nach Morgengrauen vom Löschen der Lampe zurückkehrte. Das perlmuttfarbene Tageslicht stahl sich ins Schlafzimmer und liebkoste das Gesicht des Babys. Es war während der Nacht aufgewacht, weshalb Isabel es geholt und zwischen sie gelegt hatte. Nun hielt sie den Finger an die Lippen, wies mit dem Kopf auf das schlafende Kind, stand auf und folgte Tom in die Küche.
    »Setz dich, Liebling, ich mache Tee«, flüsterte sie und hantierte so leise wie möglich mit Tassen, Kanne und Kessel. »Tom, ich habe nachgedacht«, sagte sie, während sie den Kessel aufsetzte.
    »Worüber, Izzy?«
    »Lucy. Es kann kein Zufall sein, dass sie kurz nach …« Sie brauchte den Satz nicht zu beenden. »Wir können sie nicht einfach in ein Waisenhaus abschieben.« Sie wandte sich zu Tom um und nahm seine Hände. »Liebling, ich finde, sie sollte bei uns bleiben.«
    »So sei doch vernünftig, Schatz! Sie ist ein reizendes Baby, aber sie gehört uns nicht. Wir dürfen sie nicht behalten.«
    »Warum nicht? Überleg mal. Rein praktisch gedacht. Wer weiß denn, dass sie hier ist?«
    »Wenn Ralph und Bluey in ein paar

Weitere Kostenlose Bücher