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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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wechselten zwar noch immer demonstrativ die Straßenseite, wenn sie ihm begegneten, doch ansonsten entspannte sich die Lage. Im Jahr 1925 befanden Hannah und Frank, dass ihre Lebensumstände und Einkünfte inzwischen zuverlässig genug waren, um ein Kind in die Welt zu setzen, und im Februar 1926 wurde ihre Tochter geboren.
    Hannah hatte noch Franks sanfte Tenorstimme im Ohr, wenn er dem Baby vorsang und dabei die Wiege schaukelte. »Schlaf, Kindlein, schlaf. Dein Vater hüt’ die Schaf. Die Mutter schüttelt’s Bäumelein, da fällt herab ein Träumelein. Schlaf, Kindlein, schlaf.«
    »Ich kann mir kein glücklicheres Leben vorstellen«, hatte er ihr in dem kleinen, von einer Paraffinlampe erhellten Zimmer gesagt, obwohl er Rückenschmerzen hatte und auf einem dringend reparaturbedürftigen Stuhl saß. Und das Leuchten in seinem Gesicht kam nicht vom Lampenlicht, sondern wurde von dem winzigen Wesen in seiner Wiege verursacht, dessen regelmäßige Atemzüge darauf hinwiesen, dass es endlich eingeschlafen war.
    In jenem März war der Altar mit Vasen voller Gänseblümchen und Kranzschlinge aus Franks und Hannahs Garten geschmückt, deren süßer Duft über die leeren Sitzreihen bis in den hintersten Winkel der Kirche wehte. Hannah trug ein hellblaues Kleid mit einem passenden breitkrempigen Filzhut, Frank seinen Hochzeitsanzug, in den er vier Jahre später noch hineinpasste. Seine Cousine Bettina war mit ihrem Mann Wilf aus Kalgoorlie gekommen, um als Taufpaten zu fungieren. Nun lächelten die beiden das Baby in Hannahs Armen liebevoll an.
    Reverend Norkells stand am Taufbecken und nestelte an den bunten Bändern des Gebetbuchs herum, um die richtige Seite für die Taufzeremonie zu finden. Seine Ungeschicklichkeit mochte mit der Alkoholfahne zusammenhängen, die er verströmte. »Ist dieses Kind schon einmal getauft worden?«, begann er.
    Es war ein brütend heißer Samstagnachmittag. Eine dicke Schmeißfliege brummte herum und näherte sich immer wieder dem Taufbecken, um daraus zu trinken, wurde jedoch jedes Mal von den Paten verjagt. Als sie sich einmal zu oft heranwagte, versetzte Wilf ihr einen Schlag mit dem Fächer seiner Frau, sodass sie ins Weihwasser stürzte wie ein Betrunkener in einen Graben. Ohne innezuhalten, fischte der Vikar sie heraus und fragte: »Weist du im Namen dieses Kindes den Teufel und alle seine Werke zurück …?«
    »Ich weise sie alle zurück«, erwiderten die Paten im Chor.
    Noch während sie sprachen, knarzte die Kirchentür, weil jemand zögerlich von außen dagegendrückte. Vor Freude bekam Hannah Herzklopfen, als sie ihren Vater erkannte, der an Gwens Arm langsam auf die letzte Sitzreihe zusteuerte und niederkniete. Sie hatte nicht mehr mit ihm gesprochen, seit sie ihr Elternhaus verlassen hatte, um zu heiraten, und damit gerechnet, dass er auf die Einladung zur Taufe reagieren würde wie üblich – mit Schweigen.
    »Ich versuche mein Bestes, Hanny!«, hatte Gwen versprochen. »Aber du weißt ja, was für ein sturer alter Esel er ist. Doch ich schwöre dir, dass ich komme, ganz gleich, was er sagt. Das geht jetzt schon viel zu lange so.«
    Nun wandte Frank sich zu Hannah um. »Siehst du?«, flüsterte er. »Irgendwann findet Gott immer eine Lösung.«
    »Oh, gnädiger Gott, mach, dass der alte Adam in diesem Kind begraben wird, damit der neue in ihm auferstehen kann …« Die Worte hallten von den Mauern wider, und das Baby schniefte und zappelte in den Armen seiner Mutter. Als es zu greinen begann, hielt Hannah den Knöchel ihres kleinen Fingers an die winzigen Lippen, und es begann, zufrieden daran zu nuckeln. Die Taufe ging weiter. Norkells nahm das Kind und sagte zu den Paten: »Gebt diesem Kind einen Namen.«
    »Grace Ellen.«
    »Grace Ellen, ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.«
    Während des restlichen Gottesdiensts starrte das Kind auf die leuchtenden Buntglasfenster und war genauso fasziniert, wie es das zwei Jahre später wieder sein würde, wenn es sie ein zweites Mal vom Taufbecken aus betrachtete, diesmal in den Armen einer anderen Frau.
    Danach blieb Septimus in seiner Bankreihe sitzen. Als Hannah langsam den Mittelgang entlangkam, zappelte das Baby in seiner Decke und reckte das Köpfchen mal in die eine, mal in die andere Richtung. Neben ihrem Vater blieb Hannah stehen. Dieser erhob sich, als sie ihm sein Enkelkind hinhielt. Nach kurzem Zögern schloss er das Baby in die Arme.
    »Grace Ellen. Deine Mutter wäre gerührt«,

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