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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. L. Stedman
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rauf, Kleines.«
    »Die Treppe hoch. Dadda?«
    »Ja, die Treppe hoch.« Sie ging neben ihm her zum Turm. Am Fuß der Treppe hob sie die Arme, damit er sie von hinten an den Händen fassen konnte. »Und jetzt, Häschen, zählen wir. Eins, zwei, drei.« Auf diese Weise stiegen sie quälend langsam die Treppe hinauf. Tom zählte jede Stufe mit, selbst nachdem Lucy längst aufgegeben hatte.
    Oben im Wachraum streckte Lucy die Hände aus. »Fernglas.«
    »Fernglas kommt gleich«, erwiderte Tom. »Erst rauf auf den Tisch.« Nachdem er sie auf die Karten gesetzt hatte, reichte er ihr das Fernglas, stützte das Gewicht aber mit seinen eigenen Händen.
    »Kannst du etwas sehen?«
    »Wolken.«
    »Ja, von denen gibt es heute ziemlich viele. Und das Schiff?«
    »Nein.«
    »Bist du sicher?« Tom lachte. »Dir würde ich nicht die Wache überlassen. Und was ist das da drüben? Siehst du? Dort, wo mein Finger ist.«
    Lucy strampelte mit den Beinen. »Alf und Booey! Orangen.«
    »Hat Mama gesagt, dass es Orangen gibt? Nun, dann wollen wir mal die Daumen drücken.«
    Es dauerte über eine Stunde, bis das Schiff anlegte. Tom und Isabel standen am Steg. Lucy saß auf Toms Schultern.
    »Gleich ein ganzes Empfangskomitee!«, verkündete Ralph.
    »Hallo!«, rief Lucy. »Leute! Hallo, Alf, hallo, Boo.«
    Bluey sprang auf den Steg und zog an dem Tau, das Ralph ihm zuwarf. »Vorsicht, Lucy«, sagte er zu dem kleinen Mädchen. »Damit du nicht über das Tau stolperst.« Er sah Tom an. »Herrje, sie ist ja eine richtige junge Dame, kein Baby mehr!«
    Ralph lachte. »Wusstest du nicht, dass Babys größer werden?«
    Bluey befestigte das Tau. »Es fällt mir mehr auf, weil wir sie nur alle paar Monate zu Gesicht bekommen. Die Kinder in der Stadt sieht man jeden Tag. Da merkt man nicht so, wie sie wachsen.«
    »Und plötzlich hat man einen Kleiderschrank vor sich, wie du einer bist!«, witzelte Ralph. Er trat auf den Steg und versteckte dabei etwas hinter seinem Rücken. »So, und wer hilft mir jetzt, die Sachen auszuladen?«
    »Ich!«, krähte Lucy.
    Ralph zwinkerte Isabel zu und förderte eine Dose mit Pfirsichen zutage. »Also gut. Hier ist etwas wirklich, wirklich Schweres für dich zu tragen.«
    Lucy nahm die Dose mit beiden Händen.
    »Ach, Luce, sei bloß vorsichtig damit! Wir bringen sie ins Haus.« Isabel wandte sich an die Männer. »Gib mir auch etwas mit, wenn du möchtest, Ralph.«
    Er kletterte zurück an Bord, um die Post und ein paar leichte Päckchen zu holen.
    »Wir sehen uns gleich oben. Ich setze den Kessel auf.«
    »Lucy ist so still«, stellte Tom fest, als die Erwachsenen nach dem Mittagessen am Küchentisch saßen und Tee tranken.
    »Hmmm«, erwiderte Isabel. »Eigentlich sollte sie das Bild für Mum und Dad fertigmalen. Ich schaue mal nach.« Doch bevor sie losgehen konnte, kam Lucy in die Küche. Sie trug einen Unterrock von Isabel, der über den Boden schleifte, ein Paar hochhackige Schuhe und die blaue Glasperlenkette, die Isabels Mutter mit dem heutigen Schiff mitgeschickt hatte.
    »Lucy!«, schimpfte Isabel. »Warst du an meinen Sachen?«
    »Nein«, antwortete das Mädchen mit weit aufgerissenen Augen.
    Isabel errötete. »Normalerweise zeige ich meine Unterwäsche nicht in der Öffentlichkeit herum«, meinte sie zu den Besuchern. »Komm, Lucy, so holst du dir noch den Tod. Wir wollen dich wieder richtig anziehen. Und dann müssen wir darüber reden, dass du nicht an Mamas Sachen gehen und immer die Wahrheit sagen sollst.« Sie bemerkte den Ausdruck nicht, der bei dieser letzten Bemerkung über Toms Gesicht huschte.
    Zufrieden trottet Lucy hinter Isabel her, wenn sie sich daranmachen, die Eier einzusammeln. Die frisch geschlüpften Küken, die von Zeit zu Zeit auftauchen, faszinieren sie, und sie hält sie sich ans Kinn, um zu spüren, wie flauschig ihr goldenes Gefieder ist. Wenn sie beim Ernten von Karotten und Rüben hilft, zieht sie manchmal so fest an, dass sie, begleitet von einem Schwall Erde, rücklings hinfällt. »Lucy, du Dummerchen!« Isabel lacht dann. »Los, hoch mit dir.«
    Am Klavier sitzt sie auf Isabels Knie und drischt auf die Tasten ein. Isabel hält ihren Zeigefinger und hilft ihr »Three Blind Mice« zu klimpern. »Selber, Mama«, sagt das Kind und fängt wieder mit dem Getöse an.
    Stundenlang sitzt Lucy auf dem Küchenfußboden, bearbeitet die Rückseite von veralteten Formularen mit ihren Buntstiften und produziert ein unkenntliches Gekritzel, das sie stolz präsentiert. »Das sind Mama,

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