Das Liebesleben der Hyäne
nicht!« schrie sie mich an.
»Scheiße«, sagte ich. »Und ob ich gehe!«
Sie sprang mich an. Gewöhnlich griff sie mich nur an, wenn ich betrunken war. Jetzt war ich nüchtern. Ich wich zur Seite aus, sie landete auf dem Boden, rollte einmal herum und blieb auf dem Rücken liegen. Ich machte einen Schritt über sie hinweg, in Richtung Tür. Sie war außer sich vor Wut, sie fauchte, fletschte die Zähne. Wie eine Leopardin. Ich sah auf sie herunter. Solange sie am Boden war, fühlte ich mich sicher. Als ich die Türklinke in die Hand nahm, fauchte sie wieder, krallte ihre Fingernägel in den Ärmel meiner Jacke und riß daran. Sie riß mir den Ärmel glatt an der Schulter ab.
»Herrgottnochmal«, sagte ich, »sieh dir an, was du mit meiner neuen Jacke gemacht hast! Ich hab sie grade erst gekauft!«
Ich machte die Tür auf und sprang hinaus, mit meiner einarmigen Jacke.
Ich hatte gerade meinen Wagen aufgeschlossen, als ich ihre nackten Füße hinter mir auf dem Asphalt hörte. Ich sprang ins Auto und verriegelte die Tür, steckte den Zündschlüssel rein und drehte ihn um.
»Ich kill dieses Auto!« kreischte sie. »Ich kill dieses Auto!«
Sie trommelte mit beiden Fäusten aufs Dach, auf die Kühlerhaube, gegen die Windschutzscheibe. Ich rollte sehr langsam an, um sie nicht zu überfahren. Mein Mercury Comet, Bj. 62, war kürzlich auseinandergefallen, und ich hatte jetzt einen 67er VW, den ich mit Hingabe pflegte und polierte. Ich hatte sogar einen Handfeger im Handschuhfach. Während ich anrollte, schlug Lydia weiter mit den Fäusten aufs Blech. Dann blieb sie zurück, und ich machte den zweiten Gang rein. Im Rückspiegel sah ich sie allein und verlassen im Mondschein stehen, regungslos, in ihrem Slip und ihrem blauen Neglige. Ich spürte ein flaues Gefühl im Magen. Ich fühlte mich krank, nutzlos, traurig. Ich war in sie verliebt.
12
Ich fuhr zu mir nach Hause, stellte im Radio etwas Klassisches ein und begann zu trinken. Ich holte meine Coleman-Laterne aus der Besenkammer, knipste die Lichter aus und spielte an der Laterne herum. Mit einer Coleman-Laterne konnte man allerlei trickreiche Sachen anstellen. Man konnte sie ausdrehen und dann wieder andrehen und zusehen, wie der heiße Docht von selbst wieder anging. Ich betätigte auch ganz gern die Spritpumpe und machte wieder Druck drauf. Und im übrigen machte es ganz einfach Spaß, die Lampe brennen zu sehen. Ich saß also da und trank und sah die Lampe an, hörte mir die Musik aus dem Radio an und rauchte eine Zigarre dazu.
Das Telefon klingelte. Lydia war dran. »Was machst du?« wollte sie wissen.
»Sitz nur so rum.«
»Du sitzt rum und trinkst und hörst dir Symphonien an und spielst mit deiner gottverdammten Coleman-Laterne!«
»Stimmt.«
»Kommst du zu mir zurück?«
»Nein.«
»Na schön, dann trink eben. Trink, und kotz es wieder aus! Du weißt, daß dich das Zeug schon einmal fast das Leben gekostet hat! Erinnerst du dich noch an das Krankenhaus?«
»Das werd ich nie vergessen.«
»Also schön, dann trink! Trink und bring dich um! Mir scheißegal, wenn du draufgehst! Wirst schon sehn!«
Lydia legte auf, und ich tat dasselbe. Irgendwas sagte mir, daß sie sich um mein mögliches Ableben weniger Sorgen machte als um ihren nächsten Fick. Aber ich brauchte eine Pause. Ich mußte mich erst mal erholen. Lydia wollte es fünfmal pro Woche haben. Ich fand, daß dreimal genug war.
Ich stand auf, ging in die Frühstücksnische, wo meine Schreibmaschine stand, knipste das Licht an, setzte mich und tippte Lydia einen vier Seiten langen Brief.
Dann holte ich mir aus dem Badezimmer eine Rasierklinge, trank einen kräftigen Schluck und machte mir am Mittelfinger der rechten Hand einen Schnitt. Das Blut tropfte heraus. Ich unterschrieb den Brief mit meinem Blut, ging raus zu dem Briefkasten an der Ecke und warf den Brief ein.
Als ich durch die Tür kam, klingelte schon wieder das Telefon. Wieder Lydia.
»Ich geh aus«, schrie sie, »ich geh tanzen! Ich werd hier nicht rumhocken, während du dir einen ansäufst!«
»Du führst dich auf, als wär Trinken dasselbe wie Fremdgehen«, sagte ich.
»Ist es auch! Es ist sogar noch schlimmer!«
Sie legte auf.
Ich trank weiter. Ich hatte kein Bedürfnis nach Schlaf. Bald war es Mitternacht, dann ein Uhr, zwei Uhr. Die Coleman-Laterne brannte unverdrossen weiter.
Um halb vier ging wieder das Telefon. Lydia. »Bist du immer noch am Trinken?«
»Na klar!«
»Du elendes Miststück!«
»Um genau zu sein,
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