Das Liebesleben der Hyäne
Rammler!«
Ich lachte. Sie küßte mich.
»Und ich bring dich wieder ins Irrenhaus«, sagte ich.
»Dreh dich um. Ich will mir deinen Rücken vornehmen.«
Ich drehte mich um. Sie drückte hinten an meinem Nacken herum. »Oooh, das ist ein guter … hey, der ist richtig rausgespritzt! Wär mir fast ins Auge gegangen!«
»Solltest dir vielleicht eine Schutzbrille aufsetzen.«
»Weißt du, was? Wir machen einen kleinen Henry! Stell dir vor: ein kleiner Henry Chinaski!«
»Das hat noch ein bißchen Zeit.«
»Ich will aber jetzt ein Baby!«
»Laß uns damit noch warten.«
»Wir machen nichts als schlafen und essen und rumliegen und pimpern. Wie die Schnecken. Schneckenliebe nenn ich das.«
»Mir gefällt es so.«
»Anfangs hast du hier noch geschrieben. Du hast dich mit was beschäftigt. Du hast deine Tusche mitgebracht und gezeichnet. Jetzt machst du das alles bei dir zu Hause. Bei mir tust du nur noch essen und schlafen, und morgens stehst du auf und verschwindest. Es ist alles so langweilig geworden.«
»Ich hab’s gern so.«
»Wir sind schon seit Monaten auf keiner Party mehr gewesen! Ich will Leute sehn! Ich langweile mich! Ich langweile mich so, daß ich bald verrückt werde! Ich will was unternehmen! Ich will tanzen! Ich will leben!«
»Ach Scheiße.«
»Du bist zu alt, das ist das Problem. Du willst nur noch rumsitzen und über alles und jeden herziehen. Du willst überhaupt nichts mehr machen. Nichts ist dir gut genug!«
Ich wälzte mich vom Bett herunter und begann, mich anzuziehen.
»Was machst du denn?« fragte sie.
»Ich verschwinde hier.«
»Da hast du’s! Kaum geht’s mal nicht nach deinem Kopf, schon machst du einen Satz und rennst aus der Tür! Du willst nie über was reden. Verschwindest einfach nach Hause, säufst dir einen an, und am nächsten Tag fühlst du dich so elend, daß du denkst, du stirbst. Und dann rufst du mich an!«
»Ich hau ab. Mir reicht’s!«
»Und warum?«
»Ich will nicht irgendwo sein, wo man mich nicht will, wo man was gegen mich hat.«
Lydia schwieg eine Weile. Dann sagte sie: »Also gut. Komm und leg dich wieder hin. Wir machen das Licht aus und liegen einfach so beisammen und sind still.«
Ich zögerte. Dann sagte ich: »Na gut, meinetwegen.«
Ich zog mich wieder aus, kroch zu ihr unter die Decke, preßte meinen Schenkel an ihren. Wir lagen beide auf dem Rücken. Draußen hörte ich Grillen zirpen. Es war eine angenehme Gegend. Ein paar Minuten vergingen. Dann sagte Lydia: »Ich werde mal groß rauskommen.«
Ich gab keine Antwort. Wieder vergingen einige Minuten. Plötzlich sprang Lydia aus dem Bett. Sie reckte beide Arme in Richtung Zimmerdecke und sagte ziemlich laut:
»Ich werde groß rauskommen! Ganz groß! Kein Mensch weiß, wie groß ich mal sein werde!«
»Is’ gut«, sagte ich.
Darauf sie, in Zimmerlautstärke: »Du verstehst nicht. Ich werde es zu was Großem bringen. Ich hab mehr Potential als du!«
»Potential«, sagte ich, »bedeutet gar nichts. Es kommt drauf an, was man daraus macht. Fast jedes Baby in seiner Wiege hat mehr Potential als ich.«
»Aber ich werde es bringen! Ich werde ganz groß rauskommen!«
»Schon gut«, sagte ich. »Aber jetzt komm erst mal wieder ins Bett.«
Sie kam wieder ins Bett. Wir küßten uns nicht. Wir würden es nicht miteinander machen. Ich fühlte mich müde und ausgelaugt. Ich hörte mir die Grillen an. Ich weiß nicht, wieviel Zeit verging. Ich war fast eingeschlafen, als Lydia plötzlich hochfuhr. Sie saß kerzengerade im Bett. Und ließ einen Schrei los.
»Was ist denn?« fragte ich.
»Sei still.«
Ich wartete ab. Lydia saß regungslos da. Gut zehn Minuten lang. Dann sank sie zurück auf ihr Kissen.
»Ich habe Gott gesehen«, sagte sie. »Eben hab ich Gott gesehen.«
»Du Zicke«, sagte ich, »du machst mich noch wahnsinnig!«
Ich stand auf und begann, mich anzuziehen. Ich war wütend. Konnte meine Unterhose nicht finden. Zum Teufel damit, dachte ich. Ich zog an, was ich fand, dann setzte ich mich auf den Stuhl neben dem Bett und zog mir die Schuhe an die nackten Füße.
»Was machst du?« fragte Lydia.
Ich war zu wütend, um etwas zu sagen. Ich ging nach vorn ins Wohnzimmer. Dort lag meine Jacke über einer Sessellehne. Ich nahm sie im Vorbeigehen herunter und zog sie an. Lydia kam mir nachgerannt. Sie hatte sich einen Slip angezogen und ihr blaues Neglige übergeworfen. Sie war barfuß. Lydia hatte dicke Waden. Gewöhnlich trug sie Stiefel, um diesen Makel zu vertuschen.
»Du gehst
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