Das Liebesleben der Hyäne
ich pelle gerade das Zellophan von einer brandneuen Flasche Cutty Sark. Ein erhebender Anblick. Schade, daß du’s nicht sehen kannst.«
Sie knallte den Hörer auf die Gabel. Ich mixte mir einen neuen Drink. Es kam gute Musik aus dem Radio. Ich lehnte mich zurück. Ich fühlte mich ausgesprochen wohl.
Irgendwann wurde die Tür aufgerissen. Lydia stürzte herein und blieb keuchend stehen. Die Flasche stand auf dem Kaffeetisch. Lydia rannte hin und packte sie. Ich sprang auf und packte Lydia. Wenn ich betrunken war und Lydia einen ihrer Zustände hatte, waren wir beide ungefähr gleich stark. Sie hielt die Flasche auf Armeslänge von mir weg und versuchte, damit aus der Tür zu kommen. Ich hielt sie am Arm fest und versuchte, an die Flasche zu kommen.
»Dazu hast du kein Recht, du Nutte! Gib die verdammte Flasche wieder her!«
Im nächsten Augenblick balgten wir uns draußen auf der Veranda. Wir kamen an der obersten Stufe ins Stolpern und landeten auf dem Gehsteig. Die Flasche knallte auf den Zement und ging in Scherben. Lydia rappelte sich hoch und rannte weg. Ich hörte, wie ihr Wagen ansprang. Ich lag da und sah die zerbrochene Flasche an. Lydia fuhr davon. Die Flasche lag keine 30 cm von mir entfernt. Im Mondschein sah ich, daß im unteren Teil noch ein Schluck drin war. Ich griff mir den gezackten Flaschenboden und setzte ihn an. Ein länglicher Splitter löste sich und ging mir fast ins Auge.
Ich stand auf und ging wieder rein. Mein Durst war nicht zum Aushalten. Ich stolperte herum, hob sämtliche Bierflaschen auf und trank die Reste aus. Einmal erwischte ich einen Mundvoll Asche. Ich benutzte die Bierflaschen oft als Aschenbecher. Es war jetzt 4.14 Uhr. Ich saß da und starrte auf die Uhr. Ich kam mir wieder vor wie bei der Nachtschicht im Postamt. Die Zeit blieb stehen, und das Leben pulsierte dumpf und quälend vor sich hin. Ich wartete. Ich wartete. Ich wartete.
Schließlich war es sechs Uhr morgens. Ich machte mich auf den Weg zum Spirituosenladen. Ein Angestellter schloß gerade auf. Er ließ mich rein. Ich erstand eine Flasche Cutty Sark, ging damit nach Hause, schloß die Tür ab und rief Lydia an.
»Ich habe hier eine jungfräuliche Flasche Cutty Sark stehen und pelle jetzt von besagter Flasche das Zellophan ab und werde mir einen ausgiebigen gepflegten Drink genehmigen. Und der Spirituosenladen hat jetzt für die nächsten 20 Stunden geöffnet!«
Sie legte auf. Ich nahm einen Drink zur Brust, ging ins Schlafzimmer, ließ mich mit Kleidern und allem aufs Bett fallen und schlief ein.
13
Etwa eine Woche später war ich wieder mit Lydia zusammen. Wir saßen in meinem VW und fuhren den Hollywood Boulevard entlang. Ein wöchentlich erscheinendes Unterhaltungsmagazin hatte mir vorgeschlagen, ich solle doch einmal zu Papier bringen, wie man als Schriftsteller in Los Angeles so lebt. Das hatte ich getan, und nun war ich auf dem Weg zu ihrem Büro, um ihnen das Ergebnis anzubieten. Wir parkten am Mosley Square. Um den Platz herum standen aufwendige Bungalows, die vorwiegend Büros von Plattenfirmen, Agenten und Promotern enthielten. Die Mieten waren hier sehr hoch.
Wir gingen in das Büro der Zeitschrift. Ein gepflegtes Girl saß hinter dem Schreibtisch – schön, vornehm und cool.
»Ich bin Chinaski«, sagte ich. »Und hier ist mein Artikel.«
»Ah, Mr. Chinaski. Ihre Bücher haben mich immer sehr beeindruckt.«
»Habt ihr hier auch was zu trinken?«
»Oh, sicher … kleinen Augenblick …«
Sie ging die Treppe zum Obergeschoß hinauf und kam mit einer Flasche Rotwein wieder zurück. Es war eine teure Flasche. Sie entkorkte sie und holte zwei Gläser aus einem Schrank. Wir setzten uns und nippten an unserem Wein. Für eine Nacht mit der hier würde ich manches geben, dachte ich. Aber es war nur ein Traum.
»Wir geben Ihnen bald Bescheid wegen des Artikels. Ich bin sicher, daß wir ihn nehmen werden … Sie sind eigentlich ganz anders, als ich Sie mir vorgestellt habe.«
»Wieso?«
»Sie haben so eine sanfte Stimme. Sie scheinen ein ganz umgänglicher Mensch zu sein …«
Das entlockte Lydia ein kurzes trockenes Lachen. Wir tranken aus und gingen.
Als wir zu meinem Auto kamen, hörte ich jemand rufen: »Hank!« Ich sah mich um. Auf einem der reservierten Parkplätze stand ein neuer Mercedes, und darin saß DeeDee Bronson. Ich ging zu ihr hin.
»Wie läuft’s denn so, DeeDee?«
»Ganz gut. Ich hab bei Capitol Records aufgehört. Jetzt schmeiß ich den Laden da drüben.« Sie zeigte
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